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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaessmann
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elektrischen Rollstuhl auf die Großmutter zuraste und rief: „Gib die Kaffeemühle her!“, brüllte die Großmutter zurück: „Nee, die kriegst du nicht!“
    Der Räuber Hotzenplotz erwiderte: „Mann, ich bin doch nicht blöd.“
    Und Seppl rief von der Seite: „Na, klar bist du blöd, Birgit!“
    Große Erheiterung bei den Lilienthalern! Nun entwendete der Räuber Hotzenplotz der Großmutter in fast gewalttätiger Aktion die Kaffeemühle und raste mit dem Rollstuhl wütend davon.
    Kasperl kam zum Vorschein und fragte die Großmutter: „Großmutter, hat der Räuber Hotzenplotz etwa die Kaffeemühle geklaut?“
    Die Großmutter verschränkte die Arme und sagte wütend: „Nee, das war Birgit!“
    Die Heiterkeit im Publikum erreichte schließlich ihren Höhepunkt, als Kasperl und Seppl gefangen saßen und riefen: „Großmutter, du musst uns retten“, und die Großmutter zurückbrüllte: „Denkste, Puppe!“ So endete die Vorstellung mit tosendem Beifall.
    Wir haben ein Fest gefeiert, ein Fest des Lebens in Lilienthal. Und mich hat beeindruckt, wie die Bewohnerinnen und Bewohner trotz all ihrer Behinderungen, die sie so viel Kraft kosten, mit unbändiger Lebenslust ganz selbstverständlich mitgefeiert haben – bei der Theateraufführung, beim festlichen Spargelessen, beim Rundgang über das Gelände und dem Gottesdienst. Ein wahres Fest des Lebens, bei dem die reformatorische Einsicht erfahrbar wurde: Gott sagt dem Leben Sinn zu! Genau das ist der Bauplan der Welt! Wir können diesen Sinn nicht erarbeiten, er-leisten, sondern er ist ein Geschenk. Und da ist die schwerbehinderte Birgit nicht weniger wert als der begabte Theaterregisseur, die sterbende alte Frau nicht weniger als der Chef eines großen Unternehmens. Ein Fest des Lebens, bei dem die Menschen glücklich waren damals im Juni in Lilienthal …
    Praxis der Barmherzigkeit in der Gemeinde
    Gerade die evangelische Theologie hat oft das Wort gegen die Tat ausgespielt und Letztere als zweitrangig eingestuft. Ja, aus dem Glauben soll das Handeln kommen. Zuallererst steht der Glaube, nicht Werke. Das ist verständlich, aber es könnte sein, dass hier der tiefere Grund liegt, warum die Arbeit von Diakoniestationen manchmal geradezu „neben“ der Kirchengemeinde existiert: Gottesdienst und Seelsorge, Konfirmandenunterricht und Bibelabende scheinen näher am „Eigentlichen“ zu sein. Kranke pflegen, das ist eine eigene Profession, ein Angebot unter anderen auf dem Markt von Pflege und Betreuung. Mir liegt daran, dass wir das zusammenhalten! Johann Hinrich Wichern hat in seiner berühmten Rede 1848 die Diakonie gegründet, aber als „innere Mission“. Er hat Barmherzigkeit und die Zuwendung zu den Kranken und Schwachen immer als Ausdruck praktischer Nächstenliebe verstanden, als Verkündigung praktischer Art, untrennbar verbunden mit Wortverkündigung.
    Die Verkündigung durch das Wort und die Zuwendung zu Menschen, die mit den Lasten von Behinderung, Krankheit oder Alter leben müssen – beides ergänzt sich gegenseitig. Pflegen kann ein Mensch gewiss auch ohne christlichen Glauben. Es ist aber eine besondere Qualität, wenn Christinnen und Christen in der Begegnung mit Alten, Kranken, Behinderten und anderen, die auf Hilfe angewiesen sind, ihre Hoffnungsperspektive benennen. Verkündigung spricht an, was in unserer Gesellschaft oft verdrängt wird, weil sie die Freiheit schenkt, hinzusehen, den Bedürftigen wahrzunehmen und den Pflegenden wertzuschätzen, weil sie Menschen, die als defizitär betrachtet werden, eben gerade nicht so einstuft und weil sie Menschen, die pflegen, frei macht, auch für sich selbst zu sorgen! In der Pflege von Kranken und alten Menschen, im respektvollen Miteinander kann die christliche Hoffnung für jeden Menschen verwirklicht und sichtbar gemacht werden. Dabei stehen der Mensch, der gepflegt wird, ebenso wie der Pflegende mit all seinen umfassenden Bedürfnissen im Mittelpunkt.
    Das ist aber nur zu leisten, wenn beide Seiten seelsorglich begleitet werden. In diesem Sinne schreibt Gerhard K. Schäfer: „Besuchsdiensten und Hospizdiensten kommt die Aufgabe zu, das familiäre Netzwerk zu stärken, gegebenenfalls neue Fäden einzuziehen, Brücken zu anderen Netzwerken herzustellen und die Betroffenen zu begleiten. Seelsorge hat Hilfestellung zu leisten bei der Einstellung auf eine Situation, in der Storys abbrechen und bisherige Skripts des Lebens verändert werden müssen. Rituale – Segenshandlungen etwa – sollten in

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