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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaessmann
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ihrer Kraft zum Leben und Sterben neu entdeckt werden. Mit solchen elementaren Hinweisen ist auch die Notwendigkeit markiert, die Verengung auf eine nur körperbezogene Pflege zu überwinden, und danach zu fragen, wie berufliche Arbeit im Rahmen einer Sozialstation in eine Konzeption lebensraumorientierter Netzwerkhilfe eingebunden werden kann.“So ist das, was durch Pflegerinnen und Pfleger, durch Freiwilligendienste und ehrenamtlich Mitarbeitende in Diakoniestationen und anderen Bereichen der gelebten Barmherzigkeit geschieht, unverzichtbarer Teil der Verkündigung des Evangeliums. Die Würde des Menschen steht im Mittelpunkt. Er wird nicht auf seine Behinderung reduziert und ist „Behinderter“ oder auf seine Krankheit und ist „Kranker“, sondern ist vieles mehr – begabt oder weniger begabt, fröhlich oder traurig, ein auf seine Art liebenswerter Mensch.
    Ökonomie der Barmherzigkeit
    Wie ein Mensch behandelt wird, das entscheidet sich in vielen kleinen Gesten, Ritualen und Symbolen. Christliche Pflege, christliches Engagement für Menschen weiß sich in der Tradition der Verkündigung Jesu dem Samaritergleichnis verpflichtet! Wir wollen die Würde jedes Menschen bewahren. Wenn in unserem reichen Land bei der Pflege der Schwächsten und Hilfsbedürftigsten in unverantwortlichem Maße gespart wird, dann gilt es für Christinnen und Christen, für sie das Wort zu ergreifen und öffentlich für ihre Belange einzutreten. O ja, das ist politisch. Aber es ist eine Folge der Ethik der Barmherzigkeit. Und da können Einzelne sehr wohl etwas tun. Zum einen wird das konkret bei der Wahl einer Betreuungseinrichtung. Immer wieder höre ich, dass da doch „der billigste Anbieter“ gewählt wird. Das ist dann auch der Anbieter, der die geringsten Löhne zahlt! Zum anderen geht es darum, das Thema auf den Tisch zu bringen, die Pflegebedürftigen selbst können es nicht tun. Auch kann ich selbst schauen, ob ich ehrenamtlich Zeit finde, für Besuchsdienste in der Nachbarschaft oder auch in einer Einrichtung. Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, und diejenigen, die pflegen, sind dankbar für jede Unterstützung, weil den Pflegekräften die Zeit fehlt, zuzuhören, eine Hand zu halten und vielleicht eine Besorgung zu machen. Und es geht schlussendlich auch um politische Optionen. Gerade in der aktuellen Diskussion um Altersarmut sind doch die Konzepte zu prüfen. Wir können die Parteien drängen, offenzulegen, wie sie mit der Pflegesituation und der Altersarmut umgehen wollen. Und dann entsprechend wählen.
    Wie kann eine auf Barmherzigkeit ausgerichtete Haltung mit der Ökonomisierung sozialer Dienstleistungen angemessen umgehen? Ich halte das für eine Zukunftsfrage von Diakonie und Caritas. Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm plädiert dafür, dass sich Diakonie den ökonomischen Zwängen entziehen sollte. Wie gut oder schlecht auch immer die Bilanzen sein mögen, die in den diakonischen Einrichtungen erwirtschaftet werden, am Ende zählt nur eine Bilanz. Wenn der große „Ökonom“, wie Douglas Meeks in seinem Buch „God the Economist“ Gott bezeichnet hat, „unsere Aktiva und Passiva am Ende unseres Lebens zusammenrechnet, dann mag das Ergebnis nicht besonders gut aussehen“. Aber „Dieser Ökonom übernimmt einfach selbst unsere Passiva und gibt sie uns als Aktiva zurück.“ 30
    Das finde ich sehr überzeugend! Denn eine rein ökonomische Sichtweise von Pflege und Betreuung widerspricht zutiefst dem christlichen Menschenbild, das immer den ganzen Menschen im Blick hat. Körperliche, seelische und geistliche Bedürfnisse dürfen nie voneinander getrennt werden. Dies ist eine zentrale Herausforderung für das politische Engagement der Starken in unserem Land. Und es geht darum, die existierende Kultur der Barmherzigkeit, die in Familien, in Nachbarschaften, in ehrenamtlichem Engagement gelebt wird, stärker zu würdigen. Sie wird in unserer Gesellschaft oft in den Hintergrund gedrängt, weil sie sich ökonomisch nicht rechnet. Eine solche Kultur aber ist das Gewebe, das eine Gesellschaft zusammenhält, und sie braucht dringend öffentliche Anerkennung! Barmherzigkeit ist eine eminent politische Tugend, auch wenn sie sich nicht ökonomisieren lässt.
    An vielen Orten habe ich erlebt, wie diakonische Einrichtungen die Würde jedes Menschen ernst nehmen, ganz gleich, ob es ökonomisch zu vertreten ist. Das ist das besondere Profil christlicher Nächstenliebe: Jeder Mensch wird als Gottes Ebenbild

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