Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
wahrgenommen und geachtet, und sei er in seinen Lebensäußerungen noch so eingeschränkt. Wie wir das angesichts der finanziellen Herausforderungen gewährleisten, darum muss nicht nur jede Einrichtung selbst, darum muss öffentlich gerungen werden, auch in politischer Auseinandersetzung!
Die Pflegesätze orientieren sich offensichtlich an einem Minimalkonzept von „satt und sauber“. Das aber kann keine menschenwürdige Pflege ermöglichen! Wenn wir uns vorstellen, dass für die „große Morgenwäsche mit Toilettengang“ in der Regel 23 Minuten bezahlt werden, wird wahrscheinlich deutlich, dass ein alter Mensch, ein pflegebedürftiger Mensch mehr Zeit braucht, um des Morgens gewaschen, gekämmt, frisch gebettet zu werden. Das vierte Gebot besagt: „Du sollst Vater und Mutter ehren!“ Dabei geht es nicht um eine Ermahnung an kleine Kinder, brav zu sein. Nein, es geht um die Würde der Alten im Land. Wie werden sie behandelt, respektiert? In der Pflege zeigt sich, ob wir das Gebot beachten. Und da können wir uns nicht herausreden, indem wir Pflege delegieren und irgendwie hoffen, dass die Pflegeversicherung das alles regelt! Wir alle sind gefragt, die gesamte Zivilgesellschaft. In dieser Situation müssen die Kirche, müssen wir Christinnen und Christen klar sagen: Das Alter hat seine eigene Würde. Ja, auch die Pflegebedürftigkeit und das Angewiesensein auf Hilfe darf die Würde des Menschen nicht infrage stellen.
Gerade die Bibel lehrt uns, die Weisheit des Alters zu achten. Das kann eine besondere Herausforderung sein in einer Zeit, in der Mobilität verlangt wird und Kinder und andere Verwandte oft nicht in der Nähe der alten Eltern wohnen. Für viele Menschen mittleren Alters ist es ein Spagat, räumlich und zeitlich. War Pflege früher Teil des häuslichen Bereiches der Frauen, so sind viele heute berufstätig und schaffen es nicht, Pflege und Berufstätigkeit zu vereinbaren. Hier nicht die Schuld zuzuweisen und an das schlechte Gewissen der Betreffenden zu appellieren, sondern bestmögliche Lösungen zu suchen, darum geht es.
Mit Blick auf so manche Pauschalurteile ist aber zu sagen: Entgegen vielen Vorurteilen werden die meisten Menschen noch immer zu Hause gepflegt. Von den insgesamt 2,34 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland wurden mehr als zwei Drittel (69,3 Prozent bzw. 1,62 Millionen) zu Hause versorgt. Davon erhielten 1066000 Pflegebedürftige ausschließlich Pflegegeld, das bedeutet, sie wurden in der Regel zu Hause allein durch Angehörige versorgt. Weitere 555000 Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten. Bei ihnen erfolgte die Pflege jedoch zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflegedienste. 30,7 Prozent (717000) wurden in Pflegeheimen vollstationär betreut, die meisten von ihnen (700000 bzw. 29,9 Prozent) erhielten vollstationäre Dauerpflege. 31
Häusliche Pflege wird gesellschaftlich zu wenig anerkannt. Wer kann schon mit Respekt die Reaktion hören: „Sie pflegen? Alle Achtung!“ Hier gibt es zu wenig Entlastung im politischen Sinne. So sollten Pflegezeiten parallel zu Erziehungszeiten bei der Rente angerechnet werden. Es muss möglich sein, die Berufstätigkeit für eine Anzahl von Jahren zu unterbrechen, um zu pflegen, und dann wieder in den Beruf einsteigen zu können. Hier braucht es eine Grundabsicherung, wie sie junge Eltern inzwischen erhalten, denn diese Pflegeleistung entlastet die Gesellschaft insgesamt.
Du sollst Vater und Mutter ehren – das vierte Gebot
Zudem geht es um nachbarschaftliche Entlastung: vorbeigehen, Zeit schenken, verbindlich Erledigungen übernehmen. Gemäß dem vierten Gebot ist die Frage: Welchen Respekt erweise ich Alten? Kann ich ihre Lebensleistung wertschätzen oder sehe ich nur ihre Gebrechlichkeit? Gibt es Neugier mit Blick auf ihre Lebenserfahrung oder nur ein Beschreiben ihrer Defizite? Es ist ein gutes Gebot, die Alten zu schätzen. Zeit zu finden, ihnen zuzuhören. Wer das tut, erlebt es ja als Bereicherung, ihre Erfahrung und durchaus auch die Gebrechlichkeit bewusst wahrzunehmen. Heute erscheint Alter häufig nur als Last, die ich in meinem Alltag auch noch bewältigen muss. Und Alte werden vornehmlich als Belastung der Gesellschaft gesehen: zu wenig Produktivität, zu viel Inanspruchnahme der Krankenversicherung, zu viel Zeitbedarf.
In dramatischen Darstellungen wird immer wieder die Alterskurve unseres Landes dargestellt, die eindringlich vor Augen führt: Diese Form der Alterspyramide ist langfristig
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