Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
Verantwortung, das habe ich viele Jahre lang selbst erlebt. Aber es ist doch auch großartig, ein solches Arbeitspensum absolvieren zu können! Wie schwer fällt es einem mehrfach körperlich behinderten Menschen, morgens aufzustehen, sich zu waschen, anzuziehen, sich zu versorgen? Auch das ist ja Leistung. Ich jedenfalls bin dankbar, dass ich leisten kann, Kraft habe, mich einzubringen in das große Gesamtgeschehen unserer Gesellschaft.
Oder ein ganz anderes Beispiel: Ich denke an eine sehr banale Situation, als ich mit Kollegen auf einen Parkplatz in Durban, Südafrika, fuhr. Zwei junge Männer in Uniform begrüßten uns. Einer nahm uns den Autoschlüssel ab, um das Auto zu parken, der andere öffnete die Schranke. Beide waren sicher nicht gut ausgebildet. Aber sie hatten Stolz, weil sie mit ihren Fähigkeiten offenbar gebraucht wurden.
Natürlich geht es bei Gerechtigkeit auch um Geld und um Wirtschaft. Martin Luther stand in der Tradition Augustinus’ und Thomas von Aquins dem Zins als solchem – genauer gesagt dem Wucherzins – sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber: Der Mensch dürfe sein Kapital nicht dadurch mehren, dass er die von Gott gegebene Zeit für ihn arbeiten lasse. Denn nur durch eigenes Dazutun sei die Vermehrung des Reichtums gerechtfertigt. Das stimmt ja auch heute: Geld arbeitet eben nicht. Und Wucherzins bleibt unvertretbar.
In mehreren Schriften 43 wandte sich Luther leidenschaftlich gegen Wucher und Monopole. Seine Kritik richtete sich gegen das Handels- und Wucherkapital des Frühkapitalismus, das Gebaren der großen Bankhäuser wie der Fugger, die Gier nach dem Gold der Azteken. Er maß das Verhalten am ersten Gebot und sah, wie Geld zum Mammon wurde. Hansjörg Lein fasst das wie folgt zusammen:
„Luthers große wirtschaftsethischen Schriften sind strukturiert durch drei neutestamentliche Gedanken:
1.
Dass man gerne geben soll. Schenken ist das eigentlich von Gott gebotene Wirtschaftsverhalten.
2.
Dass man gerne leihen oder borgen soll: ohne Zins und überhöhte Rückforderung, von Wucher ganz zu schweigen.
3.
Dass man sich nehmen lassen soll, auch den Mantel zum Rock geben soll. “ 44
Da mag mancher schmunzeln und sagen, so ginge es doch nicht. Die Finanzkrise aber hat gezeigt, wohin es führt, wenn Geldwirtschaft auf schnelle spektakuläre Gewinne hin orientiert ist. Zins an sich wird heute in der Weltwirtschaft insgesamt nicht infrage gestellt. Auch Kirchen legen Rücklagen an, etwa für die Pensionskasse. Aber Wucherzins müssen wir auch heute in lutherischer Klarheit anprangern! Wir sind offensichtlich an einem Punkt angekommen, an dem sich die Grenzen einer bestimmten Form von Wachstum im Bereich des Finanzkapitals so deutlich gezeigt haben wie selten zuvor. Da sind Luftblasen voller Geld entstanden, ohne dass es diese finanziellen Mittel real überhaupt gab. Und Menschen, die Banken vertraut haben, wurden zum Gegenstand von Spekulationen. In den USA erzählte ein Kollege an der Universität, dass er ein Haus für 150000 Dollar gekauft hatte. Schritt für Schritt hat er 50000 Dollar abbezahlt. Nach der Finanzkrise ist sein Haus noch 60000 Dollar wert, er hat also für nichts bezahlt, für eine „Blase“, und jetzt 100000 Dollar Schulden, von denen 40000 überhaupt nicht gedeckt sind. Er ist zum Spielball der Banken geworden. Und er hat noch Glück im Unglück, da er einen Arbeitsplatz hat, der nicht so schnell kündbar ist und ein relativ gutes Gehalt nach Hause bringt. Niemand übernimmt für solche Fehlentwicklungen Verantwortung; es wird alles „dem System“ oder „dem Markt“ zugeschoben. Aber Bankensystem und Markt sind von Menschen geschaffen, gesteuert, geplant. Es scheint mir allzu leicht, ständig Verantwortung abzuwälzen. Und die großen Börseneinbrüche der vergangenen Jahre haben ganz offenbar nicht zu mehr Vernunft und Nachdenken geführt, sondern es wird munter oder eher verantwortungslos weiterspekuliert auf möglichst viel Gewinn ohne Blick auf das Gemeinwohl.
Alternativen bieten beispielsweise Kleinstkredite zu Niedrigstzinsen etwa im Bereich der Entwicklungsorganisationen. Wir sehen, dass damit Menschen eine Lebensgrundlage eröffnet wird. Ein Beispiel ist oikokredit 45 , eine Genossenschaft, die weltweit Darlehen an Genossenschaften und kleine Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern vergibt und ihren Anlegerinnen und Anlegern eine ethische und sozial verantwortliche Geldanlage bietet. Leider zeigen sich allerdings auch hier inzwischen
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