Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
sind sie beide, und in unserer Beziehung stimmt etwas nicht, da schreit es in beiden Fällen nach Gerechtigkeit. Beide Kinder können sich nicht beteiligen in ihrer Gesellschaft, werden nicht befähigt, haben mangelnde Bildungschancen, sind gesundheitlich benachteiligt und ihre Entfaltungsmöglichkeiten sind eingeschränkt.
Die Bibel ruft uns auf, das zu ändern. Und es gibt gute Beispiele, wie das möglich ist:
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Da ist die „Arche“ zu nennen, die Pfarrer Bernd Siggelkow 1995 in Berlin gegründet hat. Inzwischen betreibt das Hilfswerk Kindertagesstätten in Berlin, Hamburg, München, Potsdam, Düsseldorf, Köln, Frankfurt/Main, Göttingen, Leipzig und Meißen. Es geht darum, Kinder von der Straße zu holen, bei familiären und schulischen Problemen beizustehen, ihnen sinnvolle Freizeitmöglichkeiten zu bieten.
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Ein anderes Beispiel habe ich gesehen, als ich eine Grundschule in Hannover besucht habe, die Kinder unterschiedlichster Herkunft besuchen. Es gab eine Betreuung für 20 Kinder mit Mittagessen, Hausaufgabenhilfe und Freizeitangebot. Der Erfolg ist überzeugend; fast alle schafften den Sprung aufs Gymnasium, was an dieser Schule selten war.
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Oder die Stiftung von Peter Maffay, die Schutzräume für Kinder, Häuser der Begegnung geschaffen hat in Deutschland, Rumänien und auf Mallorca. Als er im September 2012 auf einer Veranstaltung in Duderstadt gefragt wurde, ob das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei, hat er geantwortet: „Ja, sicher. Aber was ist die Alternative? Nichts tun kann es doch nicht sein.“ Das fand ich eindrücklich.
Aber auch international gibt es solche Projekte: In Südindien war ich zu Gast in einer Mädchenschule. Eine couragierte Direktorin holt die Mädchen von der Straße, sie lernen Lesen und Schreiben und Nähen und bekommen eine Chance auf eine selbstbestimmte Zukunft. In den fast 20 Jahren, die ich für den Ökumenischen Rat der Kirchen ehrenamtlich tätig war, habe ich in Afrika, Asien und Lateinamerika viele gute Beispiele von Bildung, Befähigung, Beteiligung für Kinder gesehen, die durch die Unterstützung der weltweiten Gemeinschaft möglich wurden. Der Evangelische Entwicklungsdienst, Misereor, Brot für die Welt – sie alle ermöglichen viele Projekte, die Hilfe zur Selbsthilfe möglich machen, zu denen wir alle mit Spenden und Kollekten beitragen können. Und es ist ja nicht so, dass „die Reichen“ sich keine Gedanken machten. Mit ihrem „Giving Pledge“ haben Warren Buffett und Bill Gates inzwischen 73 Milliardären das Versprechen abgenommen, „mehr als die Hälfte ihres Vermögens für gute Zwecke zu verschenken, insgesamt sollen rund 600 Milliarden Dollar zusammenkommen. Zum Vergleich: Das gesamte UNICEF-Budget lag im letzten Jahr bei fünf Milliarden Dollar.“ 41 Sage niemand, wir könnten nichts tun!
Derart immense Zahlen dürfen uns aber nicht verzagen lassen. Auch kleine Schritte sind möglich. Es gibt Partnerschaften zwischen Kirchengemeinden in Nord und Süd, die sehr konkret miteinander beraten, welche Form der Unterstützung wichtig und sinnvoll ist. Wir können, um ein Beispiel zu nennen, beim Teppichkauf auf das Siegel schauen, das nachweist, dass ein Teppich ohne Kinderarbeit hergestellt wurde. Das Evangelische Missionswerk hat ein Programm entwickelt, in dem Kindertagesstätten in Deutschland sich mit Kindertagesstätten in Ländern des Südens verknüpfen: „Wie leben Kinder anderswo?“ So entsteht Gerechtigkeit durch Beziehung, durch Wahrnehmen der anderen in ihrer Situation.
Gerechtigkeit als Leitbild
All das zeigt: Wir müssen dringend den Begriff der Gerechtigkeit aus dem Schlagabtausch der Auseinandersetzungen befreien und ihn wieder zum positiven Leitbild einer Gesellschaft erheben, in der es de facto Unterschiede gibt – auch im Leistungswillen und der Leistungsfähigkeit –, aber alle gemeinsam um ein Miteinander ringen, das allen ihre Würde zuspricht, auch dem schwächsten Glied in der Gemeinschaft. Wie heißt es in der Bibel: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk“ (Spr 14,34). Das Anliegen der gesamten Gemeinschaft muss sein, dass die Schwächsten nicht unter die Räder kommen oder weltweit als „überflüssige Menschen auf überflüssige Kontinenten“ (Hinkelammert) betrachtet werden, sondern als Teil einer solidarischen Gemeinschaft. Es ist offensichtlich, dass Raffgier, Maßlosigkeit und Geiz nicht zu einem guten Leben führen, sondern in die egomanische Irre. Geiz ist eben nicht „geil“, sondern
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