Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
ein entscheidender Faktor, wenn wir sehen, dass gerade Kinder aus Migrantenfamilien weniger Bildungschancen haben als andere. Wie wichtig ist es, dass die Kinder die deutsche Sprache vor der Einschulung lernen. Und was für ein gewichtiger Schlüssel ist es, Kontakt zu ihren Müttern zu bekommen. Das gelingt beispielsweise in dem Projekt „FUN – Familie und Nachbarschaft“. Da wird Vertrauen aufgebaut. Mütter bekochen sich gegenseitig und Kinder sind auf einmal stolz: „Meine Mama kann was!“ Da werden Ängste und Barrieren abgebaut und die Frauen wagen es zu fragen: „Wie kann ich mein Kind fördern?“ Und in so vertrautem Umfeld kann eine Mitarbeiterin unbefangen vorschlagen, miteinander ein Bilderbuch zu lesen. Die Frauen erwartet kein erhobener Zeigefinger, sondern es werden Bildungschancen für Kinder eröffnet, und sie werden gemeinschaftsfähig.
Gerechtigkeit zwischen den Generationen
Auch geht es um die Beziehung über die Generationengrenze hinweg, die um die Verantwortung weiß sowohl für die Alten im Land als auch für die nachwachsende Generation. Wie sollen denn Jugendliche zuversichtlich heranwachsen, wenn sie nur Zeitverträge und Praktika erhalten, ihnen fortwährend erzählt wird, die Rente sei nicht sicher, alles ungewiss, jeder sorge zuallererst am besten nur für sich selbst? Wie können wir Älteren verantworten, dass wir gigantische Schuldenberge hinterlassen werden? Wie fühlen sich junge Leute, die von einem Praktikum in den nächsten Zeitvertrag geschickt werden trotz guter Ausbildung?
Wolfgang Gründinger schreibt: „Wir Jungen müssen ausbaden, was eine Generation kurzsichtiger Finanzjongleure und Politiker uns eingebrockt hat: Schuldenkrise, Sozialkrise, Umweltkrise.“ 36 Er hat recht! Es ist schlicht unverantwortlich, „auf Pump“ zu leben. Ich bin keine Wirtschaftswissenschaftlerin, aber es kann doch von der Politik erwartet werden, dass sie Konzepte aufzeigt, wie wir Zukunftsgerechtigkeit gestalten können. Es muss doch möglich sein, darüber nachzudenken. Das mag Einschnitte in unseren Wohlstand bedeuten. Aber die müssen sein, wenn wir verantwortlich leben wollen. Und zur Verantwortung gehört, ein „bestelltes Haus“ zu hinterlassen und nicht einen Schuldenberg, der die Generationen nach uns belastet.
Zu Generationengerechtigkeit gehört auch der Respekt der Jungen gegenüber den Alten. Eine Gesellschaft, die fanatisch auf Jungsein und Jungbleiben fixiert ist, praktiziert ihn ebenso wenig wie eine, die Ressourcen auf Kosten der nachfolgenden Generationen verbraucht.
Gerechtigkeit im weltweiten Kontext
Der biblische Befund weitet den Horizont. Gerechtigkeit ist eine Frage meiner Gottesbeziehung und der Beziehung zu anderen Menschen, mit denen ich lebe, in diesem Land und auf dieser Welt. Die Beziehung geht über nationale Grenzen hinaus und öffnet den Blick zur noch größeren Herausforderung: Die Statistik der Welthungerhilfe (2010) besagt: Weltweit hungern etwa 925 Millionen Menschen. 37
In 29 Ländern ist die Hungersituation für die Menschen sehr ernst oder gravierend – also in beinahe jedem 6. Land der Welt! 38 Zwei Drittel der weltweit an Hunger leidenden Menschen leben in nur sieben Ländern: Bangladesch, China, DR Kongo, Äthiopien, Indien, Indonesien und Pakistan. 39 In Entwicklungsländern sind 195 Millionen Kinder unter fünf Jahren zu klein für ihr Alter und damit unterentwickelt. Über 90 Prozent der unterentwickelten Kinder leben in Afrika. 129 Millionen Kinder in Entwicklungsländern sind untergewichtig. 42 Prozent der untergewichtigen Kinder weltweit leben in Indien. Jährlich sterben etwa 2,2 Millionen Kinder weltweit an den Folgen von Mangel- und Unterernährung – das sind 6027 Kinder täglich. 40
Diese Zahlen tun weh, erschüttern, verstören. Weil hinter jeder Zahl ein Schicksal steht, ein Leben, Hoffnung, Elend, Zerstörung. Was eigentlich, wenn täglich 6027 Westeuropäer an Hunger sterben würden? Wie alarmiert wären wir? Kann es sein, dass Sterben an Armut in den Ländern des Südens schlicht uninteressanter ist als Sterben in reichen westlichen Industrienationen? Wo ist denn da die „gerechte Welt Gottes“? Was heißt denn Entwicklungspolitik, wenn sie stetig mit Wirtschaftsinteressen einhergeht?
Natürlich lässt sich Armut nicht vergleichen. Ein Kind, das auf einer Müllhalde auf den Philippinen in Armut aufwächst, ist anders arm als ein Kind, das in Deutschland allein mit seiner Mutter aufwächst. Anders arm. Aber arm
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