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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaessmann
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Erzbischof von Canterbury vorgebrachte Vorschlag, Teile der Scharia in das britische Rechtssystem einzuführen 97 , hat mich fassungslos gemacht. Williams meinte, es sei faktisch bereits so, dass bestimmte Bedingungen der Scharia in Großbritannien praktiziert und anerkannt würden.
    Dass es auch in Deutschland solche Ideen gibt, zeigte sich, als eine Mutter von zwei kleinen Kindern sich von ihrem sie brutal schlagenden Ehemann trennen wollte und einen Antrag auf vorzeitige Scheidung wegen Gewalt und Morddrohungen stellte. Unter Hinweis auf den Koran lehnte die Richterin ein Eilverfahren ab. „Die Ausübung des Züchtigungsrechts begründet keine unzumutbare Härte.“ 98 Es müsse schließlich berücksichtigt werden, dass beide Ehepartner aus dem marokkanischen Kulturkreis stammen …
    Das kann nicht hingenommen werden. Gerade im Familienrecht, an das der Erzbischof dachte, hat das fatale Folgen für die Unversehrtheit und die Freiheit von Frauen, die in westlichen Demokratien bitter erkämpft wurden. Ich denke, der Islam gehört heute zu Deutschland, weil mehr als vier Millionen Menschen dieser Religionszugehörigkeit hier leben. Aber wer in unserem Land lebt, muss zuallererst das Recht dieses Landes respektieren. Und das ist bei der weit überwiegenden Mehrheit der Fall. Ausnahmefälle wie Zwangsverheiratung und sogenannte Ehrenmorde müssen vehement geahndet werden, das ist doch gar keine Frage. Und zwar nicht nur für „uns“, sondern auch für „die“, falls damit Menschen gemeint sind, die selbst einen Migrationshintergrund haben oder muslimischen Glaubens sind und in diesem Land für den Rechtsstaat eintreten. Es ist unser Land. Die herkömmliche deutsche Gesellschaft jedenfalls muss sich die Frage stellen, ob sie viel zu lange weggeschaut hat, ob das Recht für alle Geltung findet, auch für die sogenannten „Gastarbeiter“ und ihre Familien.
    Gemeinsames Ethos
    Die Frage ist, ob wir nicht doch auch ein gemeinsames Ethos der Religionen entwickeln können. Es geht darum, in die Praxis herunterzubrechen, worüber sich der römisch-katholische Theologe Hans Küng seit Langem in seinem „Projekt Weltethos“ 99 Gedanken macht. Er kommt zu dem Schluss, dass sich bei allen nicht zu unterschätzenden Unterschieden in Glauben, Lehre und Ritus auch Ähnlichkeiten, Konvergenzen, Übereinstimmungen zwischen den Weltreligionen feststellen lassen: Alle Menschen sind vor dieselben großen Fragen gestellt, die Urfragen nach dem Woher und Wohin von Welt und Mensch, nach der Bewältigung von Leid und Schuld, nach den Maßstäben des Lebens und Handelns, dem Sinn von Leben und Sterben. Alle Religionen sind zugleich Heilsbotschaft und Heilsweg, alle Religionen vermitteln eine gläubige Lebenssicht, Lebenseinstellung und Lebensart, und sie vermitteln bei allen dogmatischen Unterschieden doch einige gemeinsame ethische Maßstäbe.
    Vier unverrückbare Weisungen finden wir laut Küng in den großen religiösen und philosophischen Traditionen wieder:
1.
Habt Ehrfurcht vor dem Leben. Die uralte Weisung: Du sollst nicht töten, in der heutigen Zeit verstanden als Verpflichtung auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor allem Leben.
2.
Handle gerecht und fair. Die uralte Weisung: Du sollst nicht stehlen, heute verstanden als Verpflichtung auf eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Wirtschaftsordnung.
3.
Rede und handle wahrhaftig. Die uralte Weisung: Du sollst nicht lügen, heutzutage verstanden als eine Verpflichtung auf eine Kultur der Toleranz und ein Leben in Wahrhaftigkeit.
4.
Achtet und liebet einander. Die uralte Weisung: Du sollst Sexualität nicht missbrauchen, heute verstanden als eine Verpflichtung auf eine Kultur der Gleichberechtigung und die Partnerschaft von Mann und Frau.
    Dabei geht es Küng nicht um eine Einheitsreligion, einen Religionencocktail oder einen Religionsersatz durch ein Ethos. Seine Vision hat Hans Küng in vier Grundüberzeugungen zusammengefasst:

kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen,

kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen,

kein Dialog zwischen den Religionen ohne globale ethische Standards,

kein Überleben unseres Globus in Frieden und Gerechtigkeit ohne ein neues Paradigma internationaler Beziehungen auf der Grundlage globaler ethischer Standards. 100
    Dialog der Religionen
    Der Dialog der Religionen ist eine zentrale Herausforderung für unser Land, ja, für unsere Welt. Im September 2012 wurde

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