Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
werde alles tun, um dieses Vertrauen zurückzugeben in guten und in schlechten Zeiten.
Ein Freund hat mich einmal damit aufgezogen, dass ich gesagt habe, ich müsste eigentlich nicht in Urlaub fahren, weil es doch in Deutschland so schön ist. Allerdings bin ich oft und viel in andere Länder in Urlaub gefahren, wenn die Familienkasse das möglich machte. Vor allem in Frankreich war ich viele Male mit meinen Kindern. Für den Ökumenischen Rat der Kirchen durfte ich viele Länder bereisen, zu Konferenzen und um Partnerkirchen zu besuchen. Ich denke da an Erfahrungen, die ich in Bolivien, Chile, Brasilien und Argentinien, in Simbabwe, Südafrika und Kenia, in Nord- und Südkorea, China und Indonesien sammeln konnte. Ich bin meiner Kirche dankbar für diese Chance der Horizonterweiterung.
Irritationen
Dennoch hatte ich nie Fernweh. Ich bin dankbar, als Frau nach 1945 in Westdeutschland geboren zu sein, mit all den Freiheiten und Entwicklungschancen, die mir das eröffnet. Ein paarmal war ich aber irritiert, als ich von außen einen Blick auf unser Land werfen konnte:
1974 kam ich zu einem Schuljahr, für das ich ein Stipendium gewonnen hatte, an ein Internat in den USA. Im Fernsehen lief die Serie „Hogan’s Heroes“, in der clevere amerikanische Soldaten tumbe fette Nazis überlisteten, und ich wurde als „Kraut“ bezeichnet. Ich traf Jüdinnen und Juden, die mich nach meiner Haltung zum Holocaust befragten. Ich war 16 und musste eine eigene Haltung zur Nazi-Vergangenheit meines Landes finden. Gleichzeitig wurde deutlich: Jedes Land muss die eigene Geschichte kritisch beleuchten, was etwa in den USA gar nicht so einfach ist. In jenem Jahr endete der Vietnamkrieg, und ich habe erlebt, wie schwer es war, darüber überhaupt zu diskutieren.
1978 war ich zum ersten Mal in Yad Vashem, der Holocaustgedenkstätte in Jerusalem. Ich war abgrundtief beschämt. Als eine andere Gruppe an uns vorbeiging, habe ich Englisch gesprochen. Nach 60 Jahren christlich-jüdischem Dialog kann ich offen zu dieser Geschichte stehen. Ich schäme mich für die Geschichte meines Landes, aber sie ist Teil meiner Geschichte. Versöhnung wurde möglich. Dass der Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider 2012 mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet wurde, ist ein gutes Zeichen dafür. Die Opfer wurden und werden gehört. Die Täternation hat Schuld bekannt und sich zu ihrer Verantwortung gestellt. Nur so kann Versöhnung in Gang kommen. Aber sie braucht Zeit, Engagement und Geduld auf allen Seiten.
In den fast zwanzig Jahren, in denen ich als Mitglied im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen engagiert war, habe ich manches Mal erlebt, dass die Delegierten des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR ein höheres Ansehen genossen. Die Evangelische Kirche in Deutschland war reich und finanzierte den Haushalt des ÖRK damals zu fast 50 Prozent. Aber sie war eher geduldet als beliebt. Die Kirche in der DDR machte, wie so viele in Osteuropa in den Jahren der Teilung Europas, die Erfahrung der Unterdrückung und wurde von Kirchen in Afrika, Asien, Lateinamerika daher eher als Partnerin angesehen. Zwischen den beiden deutschen Delegationen gab es manches Mal eine Art „Fremdeln“.
Stolz darf sein
Heute kann ich sagen, dass ich stolz darauf bin, dass sich in Deutschland eine stabile Demokratie entwickelt hat, dass es gerade die Kirchen in der DDR waren, die den Ruf „keine Gewalt“ aus den Kirchen hinaus auf die Straßen von Leipzig, Dresden und Ostberlin getragen haben, und dass die Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1989 trotz aller Schwierigkeiten insgesamt gelungen ist. Auch wenn es Verletzungen und Kränkungen gab, vor allem auf ostdeutscher Seite: Es ist fast ein Wunder, dass nach so vielen Jahren der gewaltsamen Trennung in zwei Staaten ein Wir-Gefühl wächst.
Und bei allen notwendigen und wichtigen Auseinandersetzungen um Eurokrise und Hartz-IV-Sätze gibt es bei uns ein funktionierendes Rechtssystem, auf das sich Menschen verlassen können. Wenn wir allein nach Russland, geschweige denn in den Rest der Welt blicken, dann stellen wir fest, dass das schon viel ist! Zudem: Niemand fällt hier ganz und gar aus der Grundversorgung heraus, die ein Mensch zum Leben braucht. Es gibt eine soziale Absicherung, auch wenn wir darüber streiten können, ob sie ausreicht. Auch das ist viel, wenn wir allein in die USA, geschweige denn in den Rest der Welt schauen! Dafür, dass jedes Kind zur Schule gehen und jeder
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