Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
Hebräerbrief heißt es: „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt“ (13,2). Die Züricher-Bibel übersetzt: „Die Liebe zu den Fremden vergesst nicht …“ Das heißt doch Offenheit für „Fremde“, Gastfreundschaft, das sind christliche Grundeigenschaften. Mich bedrückt zutiefst, dass es über Jahre hinweg eine Mordserie gab, der Menschen türkischer oder griechischer Herkunft zum Opfer fielen, ohne dass ein rechtsradikaler Zusammenhang erkannt wurde. Wie blind waren wir denn? Oder wie verblendet wurden wir? Sind die anderen schuld, mit ihren angeblichen kriminellen Verbindungen? Es tut weh, dass hier nicht viel früher klar war: Das sind Mörder unter der Fahne der Neonazis!
Dass die NPD offiziell als Partei in Deutschland wirken kann, begreife ich nicht. Von Steuergeldern wird finanziert, was sie an rassistischem und menschenverachtendem Gedankengut verbreitet. Allein die Plakate bei der letzten Wahl fand ich skandalös: „Gas geben“ hieß es da. Oder: „Gute Heimreise!“ Wie soll ich einem Menschen erklären, dass die Parolen der NPD nicht demokratiefähig sind, wenn diese eine offiziell zugelassene Partei ist? Es bleibt zu hoffen, dass endlich ein Verbotsverfahren erfolgreich ist. Wenn davon geredet wird, dass es Stadtviertel gibt, in die sich Menschen nicht mehr trauen, weil sie mehrheitlich von Muslimen bewohnt werden, muss auch davon geredet werden, dass es Orte gibt, in die sich eine Türkin oder ein Pole nicht trauen. Beides ist absolut inakzeptabel und kann in unserem Land nicht toleriert werden.
Migration ist jedoch auch eine globale Herausforderung. Sie betrifft nicht nur Deutschland oder Europa, sie ist ein weltweites Phänomen. Dabei sollten wir die Verhältnismäßigkeit im Blick behalten: In den Staaten Westeuropas leben durchschnittlich acht bis zwölf Prozent Migrantinnen und Migranten, in den Golfstaaten gibt es 80 Prozent! Das heißt: Europa nimmt letzten Endes nur ein Minimum der Flüchtlinge der Welt auf. Das müsste klar kommuniziert werden. Restriktive Migrationsabwehr ist kein geeignetes Mittel, die Herausforderung als Gesellschaft anzunehmen. Mehr als 50 Prozent der EU-Mittel für Migrationsmanagement geht in die Bereiche Grenzschutz, Abschiebung oder auch an die Agentur Frontex …
Migration ist manchmal Irritation, immer aber auch Chance: Reichtum an Kulturen, voneinander lernen, miteinander feiern und sich am Leben freuen. Begegnung ermöglichen, Foren schaffen, die transnationales Leben erleichtern und nicht erschweren. Eine Kenianerin sagte bei einer Podiumsdiskussion anlässlich des Weltflüchtlingstags 2011 in Berlin: „Ihr solltet verstehen, dass diejenigen, die sich auf den Weg machen, die Kreativen sind, die mit einer Sehnsucht nach Freiheit, die sie mit euch in Deutschland umsetzen wollen!“
Ich lebe gern in einem Land, das Vielfalt akzeptiert. Das gilt sowohl für kulturelle Herkunft als auch für Glaubensfragen und unterschiedliche ethische Standpunkte. Noch einmal: Entscheidend ist, dass das Recht die Grundlage für unser Zusammenleben ist. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, wie es in unserer Verfassung heißt. Oder: „Mann und Frau sind gleichberechtigt.“ Diese Rechtsgrundsätze, die Generationen vor uns erkämpft haben, müssen immer wieder neu mit Leben gefüllt werden. Es geht um eine aktive Demokratie! Aufwachen, fragen, zur Wahl gehen, NPD-Parolen entgegentreten, Dialog mit Menschen anderen Glaubens, Schutz für Asylsuchende – das ist ja wohl das Mindeste, das wir in unserem Land tun können.
Am Ende geht es darum: Misch dich ein! Lebe dein Leben bewusst! Dein Glaube findet nicht hinter Kirchenmauern statt, sondern will sich in der Welt bewähren. Dabei sind wir freier, als wir oft meinen. Wir können uns von der Last der Erwartungen lösen und uns fragen, wie wir leben wollen, ja, wie wir am Ende unseres Lebens gelebt haben wollen.
Das beginnt damit, dass wir uns als Teil einer Gemeinschaft sehen, in der die Starken selbstverständlich für die Schwächeren eintreten und diese sich nicht dafür schämen müssen.
Dabei geht es aber auch um die großen Fragen von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, darum, nachhaltig zu leben, damit nachfolgende Generationen auf dieser Erde eine Zukunft haben. Dazu können alle etwas beitragen in großen und in kleinen Schritten, wann immer wir nicht einfach Ja und Amen sagen und nicht alles so bleibt, wie es ist.
Das gilt auch im
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