Mehr als nur ein sinnlicher Traum?
Nach kurzem Zögern öffnete sie den Deckel.
Ihr stockte der Atem. Der Ring war wie für sie gemacht: Ein wundervoller altmodisch herzförmig geschliffener Diamant, umgeben von mehreren kleineren, in einer dezenten Weißgoldfassung.
Die gesamte Anordnung wirkte so zierlich und filigran, heutzutage stellte man so etwas gar nicht mehr her. Fragend sah Amy Heath an. „Er ist viktorianisch, stimmt’s?“
Heath nickte. „Und die Farbe passt wunderbar zu deinen Augen.“
Sie liebte diesen Ring. Er musste ein Vermögen gekostet haben.
War es Zufall, dass Heath ihn für sie ausgewählt hatte? Unwahrscheinlich. Oder kannte er ihren Geschmack tatsächlich so gut?
Ach nein, dachte Amy, Megan wird ihn ausgesucht haben! Sie hatte einen erstklassigen Geschmack. Amy hatte immer vermutet, das sie auch das herzförmige Medaillon ausgesucht hatte, das sie von Roland bekommen hatte.
Amy betrachtete den Ring und sagte leise: „Er ist wunderschön.“
„Freut mich, dass er dir gefällt.“
Vorsichtig nahm sie ihn heraus.
„Du musst den hier abnehmen“, sagte Heath mit einem Blick auf den Solitär und nahm ihre Hand, um ihn abzuziehen.
„Nein!“, rief Amy und zog die Hand weg.
Tief im Innersten wusste sie, dass sie das selbst tun musste. Niemand konnte ihr es abnehmen. Schlagartig musste sie an den Teil eines Gespräches denken, das sie mit Heath in der Nacht des Maskenballs im September geführt hatte. Kurz bevor Roland ums Leben gekommen war …
„Du machst einen Fehler.“
Obwohl das nicht seine erste Bemerkung in dieser Richtung gewesen war, hatte sie nicht auf ihn hören wollen. Vor allem, weil ihr zur dem Zeitpunkt schon selbst Zweifel an ihrer bevorstehenden Hochzeit gekommen waren. Nervös hatte sie den Solitär am Finger gedreht und hochnäsig geantwortet: „Du weißt ja nicht, wovon du redest.“
Es hatte schon mehrmals Gerüchte gegeben, dass Roland eine Geliebte hatte. Doch zum ersten Mal hatte Amy ihnen Beachtung geschenkt. In ihr war der Verdacht aufgekeimt, dass sie sich nur selbst etwas vorgemacht hatte, und Roland nicht nur sie liebte.
Seit sie siebzehn war, hatte sie von der großen romantischen Liebe geträumt. Und plötzlich sollte das alles nur Einbildung gewesen sein?
Nach dem Gespräch mit Heath hatte sie all ihren Mut zusammengenommen und Roland gefragt, ob er wirklich eine Geliebte hatte. Lachend hatte er versucht, ihre Bedenken zu zerstreuen. Doch sie hatte nicht nachgegeben und ihn vor die Wahl gestellt: Entweder wäre er von jetzt an treu, oder aus der Hochzeit würde nichts werden.
Unbewusst ließ Amy die Hände sinken und strich über ihren Bauch. Heath’ Ring fühlte sich angenehm warm an. Auch wenn man noch nichts sah: In ihr wuchs ein Baby heran – ein Baby, das in einer Nacht der Leidenschaft gezeugt worden war.
Dieses Baby war der Grund für die Heirat mit Heath …
„Du wolltest nicht, dass ich Roland heirate.“
„Er hätte dich nicht glücklich gemacht. Aber da du dich nun einmal entschlossen hattest, was hätte ich tun oder sagen können …“
Trotzig sah sie ihn an und erwiderte: „Seit ich siebzehn war, habe ich immer nur Roland gewollt.“
Beinah musste sie über sich lachen, wenn sie daran dachte. Mit siebzehn hatte sie ja keine Ahnung gehabt, was es bedeutete, jemanden wirklich zu wollen! Und bis heute gab es nur eine schicksalhafte Nacht, in der sie es erlebt hatte.
Silbernes Mondlicht, das durch die Glastüren hereinfällt. Die edle Form seiner Wangenknochen. Sein Lächeln. Die breiten nackten Schultern. Er streicht ihr das Haar aus dem Gesicht … Lippen, die sie küssen und verwöhnen …
Beim bloßen Gedanken daran spürte sie Hitze in sich aufsteigen. Oh nein, mit dieser Art „Wollen“ konnte sie nichts anfangen. Sie bereute es bitter, dass sie sich von ihren Gefühlen hatte hinreißen lassen. In jener Nacht hatte sie Dinge getan, an die sie bis dahin nicht einmal gedacht hatte, und die Leidenschaft hatte sich Bahn gebrochen.
Nie wieder!
Konnte sie Heath heiraten und dabei innerlich möglichst unbeteiligt bleiben? Den Teil ihrer Persönlichkeit verborgen halten, der in dieser Nacht zum Leben erwacht war? Schnell legte Amy den Ring wieder in die Schatulle zurück.
Sie musste ruhig bleiben. Heath hatte sich lediglich aus Vernunftgründen bereiterklärt, sie zur Frau zu nehmen. Und dass, obwohl er nie hatte heiraten wollen. Offensichtlich war er noch nicht einmal verliebt gewesen. Vor diesem Hintergrund würde es ihr wohl gelingen, sich
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