Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
Vom Netzwerk:
obwohl Arron und ich uns ausgiebig über die Theorie unterhalten haben. Arron hat mir ein paar grundsätzliche Tipps gegeben, die er aus zwei Monaten Nahkampf im Park mit Shannon Travis gewonnen hatte   – zwei Monaten, in denen ich mir im Stich gelassen vorgekommen bin. Wir hätten nie damit gerechnet, dass ich mal in aller Öffentlichkeit um ein Date gebeten würde. Ehrlich gesagt, hätten wir nicht damit gerechnet, dass überhaupt mal irgendwer mit mir ausgehen will.
    |36| So wie mich die Jungs anglotzen, habe ich offenbar ein Angebot bekommen, das sie sich höchstens in ihren kühnsten Träumen ausmalen. Ashley macht nicht den Eindruck, als ob man es sich mit ihr verderben sollte. Ty wäre sprachlos gewesen, aber zum Glück ist Joe ein obercooler Macker. An der Wand hängt ein Poster, das hilft mir beim Improvisieren: »Super Idee, Ashley, aber heute Nachmittag geht’s leider nicht. Ich hab Training   … mit der Leichtathletikmannschaft.«
    Ashley sieht beeindruckt aus, aber sie scheint mir nicht zu glauben, genauso wenig wie Brian und seine Freunde. Auch der Lehrer, der in der Schlange vor uns steht, macht ein verdutztes Gesicht. Ich merke zu spät, dass es Mr Henderson ist, bei dem ich bis jetzt zweimal Sport hatte und der irgendeine Begabung bei mir in dieser Richtung garantiert nie erwähnt hat. Aber er bleibt fair, dreht sich um und sagt: »Wir freuen uns, wenn du zu uns stößt, Joe. Es geht pünktlich um halb vier los. Bring deine Sachen mit. Ich hätte gern Kohl und Karotten, und bitte nicht so viel Pudding«, wendet er sich zu der Frau an der Essensausgabe.
    Ashley zieht einen Flunsch und fragt: »Wann hast du denn mal Zeit?«, und ich sage: »Ich geb dir Bescheid«, womit ich Brians Kumpels fast so sehr beeindrucke wie mit meinem Platz in der Leichtathletikmannschaft. Die Mädchen suchen sich einen anderen Tisch und die Jungs löchern mich mit Fragen. Wann ich denn für die Mannschaft ausgewählt worden sei? Ob mir klar sei, dass so gut wie alle anderen im Team mindestens sechzehn sind?
    |37| Ähnliches gilt für Ashley. »Die hat sich noch nie für irgendeinen aus unserem Jahrgang interessiert«, sagt Brian. »Sie hat gerade erst mit Dan Kingston Schluss gemacht, und der ist in der Zehnten. Es passt ihr nicht, dass du nicht sofort zugesagt hast. Ashley kriegt immer, was sie will. Mensch, hast du ein Glück!« Alle lachen und johlen und die Lasagne bleibt mir im Hals stecken. Sie schmeckt wie klumpiger Zement.
    Mr Henderson lässt mich bestimmt nicht mitmachen. An dieser Schule wird der Sportunterricht ernst genommen, viel ernster als an der St. Saviours, wo wir Glück hatten, wenn wir auf unserem Betonschulhof ein bisschen Fußball spielen durften. Hier gibt es richtige Spielfelder und eine Aschenbahn, eine Turnhalle und sogar ein Sportschwimmbecken. Die Schule ist eine Sportschwerpunktschule, was immer das sein soll, und die Leichtathletikmannschaft besteht aus lauter Leuten, die bei den Kreismeisterschaften antreten. Wie konnte ich bloß so blöd sein!
    Aber wenn das ganze Leben eine große Lüge ist, kommt es auf eine kleine mehr oder weniger auch nicht an. Eigentlich eine Ironie des Schicksals, denn ich bin schließlich nur an dieser Schule, weil ich die Wahrheit sagen wollte.
     
    Es klingelt zum Ende der letzten Stunde, und ich schicke Mum eine SMS, dass ich ein bisschen später komme, dann latsche ich rüber zum Sporttrakt, gleich neben der Aschenbahn. Ich werde Mr Henderson erklären, dass ich |38| es nicht ernst gemeint habe. Aber als ich reinkomme, sitzt ein Mädchen an seinem Schreibtisch. Sie ist älter als ich und trägt keine Schuluniform, aber für eine Lehrerin ist sie zu jung.
    Ich stehe ein bisschen verlegen rum, während sie mich von Kopf bis Fuß mustert und sich dabei viel Zeit lässt.
    »Bist du Joe?«, fragt sie dann.
    »Äh, ja   …«
    »Ich heiße Ellie. Mr Henderson hat mich gebeten, dir beim Laufen zuzusehen und dich zu beurteilen. Ich gebe dann alles an ihn weiter.«
    Ich trete von einem Fuß auf den anderen. »Na ja, also, es ist nämlich so, dass ich eigentlich gar nicht hierhergehöre.«
    Sie schaut mich an. Graue Augen, blonder Pony, ein Lächeln, das ebenso gut freundlich wie spöttisch sein kann. »Aber du bist hier.«
    »Ja, schon, aber ich hab hier nichts zu suchen. Ich bin nicht ausgewählt worden, mich hat auch keiner gefragt, ob ich in die Mannschaft will oder so. Es war   … es war bloß so ’ne blöde Bemerkung von mir.«
    »Vielleicht war sie gar

Weitere Kostenlose Bücher