Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mehr als nur Traeume

Titel: Mehr als nur Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
Vom Netzwerk:
sich vom Schemel erhob. »Es könnte sich durchaus ergeben, daß ich eine Anstellung brauche.« Plötzlich überfiel ihn ein Schwindel, so daß er sich an einer Stuhllehne festhalten mußte.
    »Ist Ihnen nicht gut?«
    »Nur erschöpft«, murmelte Nicholas.
    »Das Reisen nimmt mich ebenfalls immer sehr mit. Haben Sie einen weiten Weg zurücklegen müssen?«
    »Etliche hundert Jahre.«
    Die Frau lächelte. »So empfinde ich es auch, wenn ich reise. Sie sollten auf Ihr Zimmer gehen und sich vor dem Supper ein bißchen hinlegen.«
    »Ja«, erwiderte Nicholas leise und bewegte sich auf die Treppe zu. Vielleicht würde er morgen gründlicher darüber nachdenken können, wie er sich in seine eigene Zeit zurückversetzen vermochte. Oder vielleicht würde er morgen in seinem eigenen Bett aufwachen und alles würde vorbei sein -nicht nur dieser Alptraum des zwanzigsten Jahrhunderts, sondern einfach alles.
    Er zog sich in seinem Zimmer langsam aus. Da waren keine Haken für seine Kleider an der Wand, und so legte er sie säuberlich auf das andere Bett. Wo befand sich die Hexe in diesem Augenblick? Wieder in den Armen ihres Liebhabers? Wenn sie so zaubermächtig war, ihn über eine Kluft von vierhundert Jahren in diese Zeit zu versetzen, vermochte sie doch zweifellos einen verirrten Liebhaber aus einer Entfernung von wenigen Meilen zurückzuholen.
    Er stieg nackt in das Bett. Die Bezüge waren so unglaublich glatt und weich, und sie rochen nach etwas, das er nicht kannte, aber als angenehm empfand. Und so etwas Flaumig-Weiches wie diese Zudecke hatte er bisher auch noch nie auf seiner Haut gespürt.
    Morgen, dachte er, als er die Augen schloß. Morgen würde er wieder zu Hause sein.
    Kaum hatte er die Augen zugemacht, als er auch schon schlief. Sein Schlaf war so tief wie noch nie, und er hörte nicht, wie der Himmel seine Schleusen öffnete und ein Wolkenbruch auf die Erde niederging.
    Erst Stunden später wälzte er sich unruhig auf der Matratze und erwachte dann. Er setzte sich auf. Es war stockdunkel im Zimmer, und er wußte zunächst nicht, wo er sich befand. Er konnte den Regen auf das Dach trommeln hören. Er tastete auf dem Nachttisch nach Feuerstein und Kerze; konnte jedoch beides nicht finden.
    »Was ist das nur für ein Ort?« rief er. »Keine Aborte, kein Licht.«
    Während er noch murrte, ruckte plötzlich sein Kopf heftig in die Höhe. Jemand rief nach ihm. Nicht mit Worten. Es war nicht so, daß jemand laut seinen Namen schrie; und dennoch spürte er, daß jemand verzweifelt nach ihm verlangte.
    Er war sich sogleich im klaren, daß es diese Hexen-Frau sein mußte. Ob sie sich gerade über einen Kessel voller Schlangenaugen beugte, in der Brühe rührte und dabei seinen Namen flüsterte?
    Es hatte keinen Zweck, sich gegen ihren Ruf zu wehren. So wahr er lebte und atmete, wußte er auch, daß er zu ihr gehen mußte. Er hatte Schwierigkeiten mit diesen seltsamen modernen Kleidern, und als er den Reißverschluß zuzog, stellte er fest, daß Teile seines Körpers empfindlich reagierten, wenn sie zwischen die Zähne dieses Gerätes eingeklemmt wurden. Er streifte dieses dünne Hemd über und suchte sich mit vorgehaltenen Händen einen Weg zur Tür.
    Im Korridor war Licht. Da war eine von Glas umgebene Fackel an der Wand; aber die Flamme war in einer weiteren Glaskugel eingeschlossen. Er wollte sie näher untersuchen; aber draußen krachte ein Donner, und der Ruf der Hexe wurde noch dringender.
    Er ging die Treppe hinunter, über einen üppigen Teppich und hinaus in den Regen. An Stangen, hoch über seinem Kopf, waren noch mehr Fackeln angebracht; aber der prasselnde Regen löschte sie nicht. Nicholas zog den Kopf tief in seinen Kragen hinein. Diese modernen Kleider hatten keine Substanz! Kein Cape, kein Wams - nichts, was ihn vor diesem heftigen Regen schützen konnte.
    Er kämpfte gegen die peitschenden Schlossen an, durchquerte Straßen, die ihm gänzlich unbekannt waren, bog ein paarmal in die falsche Richtung ab; aber dann drang der Ruf wieder zu ihm. Er ließ die Straßen mit den Fackeln auf den Stangen hinter sich, und die Dunkelheit des offenen Landes hüllte ihn ein. Er ging einige Minuten auf einer Landstraße, hielt dann an und lauschte, während er sich den Regen aus dem Gesicht wischte. Er wandte sich nach rechts, überquerte ein Feld, stieg über einen Zaun und kam schließlich zu einem Schuppen.
    Er riß die Tür des Schuppens auf, und im grellen Licht eines Blitzes sah er sie - durchnäßt und

Weitere Kostenlose Bücher