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Mehr als nur Traeume

Titel: Mehr als nur Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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als würde man aus einem Märchenschloß in eine Slumgegend geraten oder von Beverly Hills nach Kalkutta.
    Sauberkeit war im Leben der Dorfbewohner ein Fremdwort. Tier und Mensch hausten unter dem gleichen Dach und auf gleicher sanitärer Ebene. Küchenabfälle und Fäkalien wurden einfach vor den dunklen kleinen Häusern ausgeschüttet. Die Leute waren so schmutzig, wie man nach einem Jahr, ohne sich zu waschen oder gar zu baden, eben schmutzig sein mußte, wenn man täglich im Schweiße seines Angesichts auf dem Feld arbeitet. Ihre Kleider waren steif von dem Lehm und dem Fett, das an dem groben Stoff klebte.
    Und diese Krankheiten! Dougless starrte die Leute an, an denen sie vorbeikamen. Sie waren von Pockennarben entstellt, hatten Kröpfe, eiternde Geschwüre und Ringelflechten. Auch die vielen verkrüppelten oder verstümmelten Männer, Frauen und Kinder fielen ihr auf. Und offenbar gab es keinen, der noch alle Zähne besaß, wenn er das zehnte Lebensjahr überschritten hatte - und die ihm noch geblieben waren, waren in der Regel schwarz.
    Dougless drohte ihr umfangreiches Mittagessen wieder von sich zu geben. Was ihr noch mehr zusetzte als der Anblick und der Geruch dieser Leute war das Wissen, daß diese Menschen mit den Möglichkeiten der modernen Medizin leicht kuriert werden könnten. Und als sie bemerkte, daß nur wenige von der ländlichen Bevölkerung älter als dreißig Jahre waren, überlegte sie, daß sie, wäre sie im sechzehnten Jahrhundert zur Welt gekommen, wohl kaum älter geworden wäre als zehn. In diesem Alter hatte sie einen Blinddarm-Durchbruch und war vom Notarztwagen in den Operationssaal gebracht worden. Vielleicht hätte sie sogar überhaupt nicht das Licht der Welt erblickt, denn sie war eine Steißgeburt gewesen, und ihre Mutter wäre wohl ohne Bluttransfusionen bei ihrer Geburt gestorben.
    Als ihr das durch den Kopf ging, betrachtete sie diese Leute plötzlich mit ganz anderen Augen: Das waren die Überlebenden, die Gesündesten der Gesunden.
    Die Dorfbewohner kamen aus ihren Hütten, stellten auf den Feldern ihre Arbeit ein und starrten die Prozession aus prächtig gekleideten Leuten auf rassigen Pferden an. Lady Margaret und deren Gefolge winkten ihnen zu, und die Leute grinsten zurück. Wir sind Rockstars, Filmstars und Lady Diana in einer Person, dachte Dougless bei sich und winkte ebenfalls.
    Sie mußten einige Stunden, wie es Dougless vorkam, durch die Landschaft geritten sein, weil ihr das Hinterteil mächtig weh tat, ehe sie auf einer hübschen kleinen Wiese Rast machten. Vor ihnen breitete sich ein Feld mit einer grasenden Schafherde aus. Einer der Reitknechte half Dougless vom Pferd herunter, und sie humpelte zu der Stelle, wo Honoria auf einem Tuch im feuchten Gras saß.
    »Habt Ihr den Ritt genossen?« fragte Honoria.
    »So sehr wie die Masern oder Keuchhusten«, murmelte Dougless. »Offenbar hat Lady Margaret ihre Erkältung überwunden, wie?«
    »Sie ist eine sehr rührige Dame.«
    »Das sehe ich.«
    Sie saßen im freundschaftlichen Schweigen eine Weile nebeneinander, und Dougless genoß die schöne Aussicht und versuchte nicht, an ihre Begegnung mit Nicholas in der Nacht zuvor zu denken. Dann fragte sie Honoria, was eine »Callet« sei, und als sie erfuhr, daß das eine lüsterne Dirne wäre, biß sie sich in neuerwachter Wut auf die Zunge.
    »Und ein >Cater-Cousin    »Ein Freund des Herzens.«
    Dougless seufzte. Also waren Nicholas und Robert Sydney »Herzensfreunde«. Kein Wunder, daß er ihm keine bösen Absichten Zutrauen wollte. Eine seltsame Freundschaft, dachte Dougless bei sich. Nicholas vergnügt sich mit Roberts Frau auf einem Tisch, und Robert schmiedet Pläne, um seinen Freund aufs Schafott zu bringen.
    »Robert Sydney ist ein >Pillicock<«, murmelte Dougless.
    Honoria blickte sie schockiert an. »Ihr kennt ihn? Ihr mögt ihn?«
    »Ich kenne ihn nicht, und mögen tue ich ihn ganz bestimmt nicht.«
    Honoria machte ein verwirrtes Gesicht, und so fragte Dougless, was das Wort »Pillicock« bedeutete.
    »Es ist ein Kosewort. Man versteht darunter einen geliebten Schuft<.«
    »Ein Kosewort? Aber ...« Dougless brach ab. Als Nicholas sie gefragt hatte, ob sie nicht mit ihm in das sechzehnte Jahrhundert zurückkommen möchte, um dort für ihn zu kochen, war sie wütend geworden und hatte ihm allerlei Schimpfnamen gegeben. Nicholas hatte zu dieser Liste das Wort »Pillicock« beigesteuert. Es mußte ihn sehr erheitert haben, daß eine wütende

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