Mehr als nur Traeume
Frau ihn als »geliebten Schuft« bezeichnete.
Sie lächelte. Nicholas konnte tatsächlich ein »geliebter Schuft« sein.
Eine der Frauen, eine Dienerin von einer Zofe der Lady Margaret, reichte ein aus geriebenen Mandeln bestehendes Gebäck herum.
Dougless fragte kauend: »Wer war diese hübsche dunkelhaarige Frau, die an der Mittagstafel neben Nicholas saß?«
»Lady Arabella Sydney.«
Dougless hätte fast ihr Plätzchen verschluckt. »Lady Arabella? Ist sie schon lang im Haus? Wann ist sie eingetroffen? Wann wird sie wieder abreisen?«
Honoria lächelte. »Sie kam gestern abend und wird morgen in aller Frühe wieder abreisen. Sie will ihren Mann auf eine Reise nach Frankreich begleiten. Sie werden erst in einigen Jahren zurückkommen, und deshalb wollte sie sich bei Lady Margaret verabschieden.«
Dougless’ Gedanken begannen zu rasen. Wenn Nicholas Arabella noch nicht auf diesem Tisch gebumst hatte und Arabella morgen abreisen wollte, dann mußte dies der bewußte Tag gewesen sein. Sie mußte es verhindern!
Plötzlich knickte sie nach vom, preßte die Hände gegen den Magen und begann zu stöhnen.
»Was fehlt Euch?« fragte Honoria besorgt.
»Ich muß etwas Unrechtes gegessen haben. Ich muß ins Haus zurück.«
»Aber . . .«, begann Honoria.
»Ich muß.« Dougless stöhnte wieder laut.
Honoria stand auf, ging zu Lady Margaret und kam in ein paar Minuten wieder. »Wir haben die Erlaubnis dazu bekommen. Ich werde Euch mit einem Reisigen begleiten.«
»Großartig. Laß uns nur schnell reiten.«
Honoria blickte Dougless verwirrt nach, als sie zu einem der Pferde lief. Als ein Reitknecht ihr in den Sattel hinaufhalf, sah sie gar nicht krank aus.
Dougless hätte am liebsten ihr Bein über diesen idiotischen Damensattel geworfen; aber er hatte keinen Steigbügel auf der anderen Seite. Und so legte sie ihr Bein nur um das dicke Polster an der Stelle, wo der Sattelknopf hätte sein müssen, nahm eine kleine Reitgerte und schlug damit gegen die Flanken des Pferdes. Sie beugte sich vor und klammerte sich am Pferd fest, während es die mit Löchern und Furchen durchzogene Landstraße hinunterdonnerte.
Hinter ihr kamen Honoria und der Reitknecht und bemühten sich nach Kräften, nicht den Anschluß zu verlieren.
Zweimal mußte Dougless mit dem Pferd springen, einmal über eine Wagendeichsel, ein andermal über eine Schubkarre. Sie zog heftig am Zügel, als ein Kind über die Straße rannte, aber sie konnte ihm noch knapp ausweichen. Und sie sprengte mitten durch eine Schar von Gänsen hindurch, die ein mächtiges Gezeter anstimmten.
Als sie das Haus erreichte, sprang sie aus dem Sattel, stolperte über den Saum ihrer Röcke und fiel auf das Gesicht. Aber davon ließ sie sich nicht aufhalten, sondern riß das Gartentor auf, rannte den Backsteinpfad hinunter, die Treppe hinauf und dann über die Terrasse ins Haus.
Sie blieb vor der Treppe in der Halle stehen. Wo? Wo war Nicholas? Arabella? Der Tisch?
Zu ihrer Linken hörte sie Stimmen. Kits Stimme war auch darunter. Sie rannte zu ihm. »Wißt Ihr, wo ein Tisch steht, der ungefähr sechs Fuß lang und drei Fuß breit ist? Die Beine sind spiralförmig.«
Kit lächelte über die Hast, mit der sie sprach. Ihr Gesicht war mit Schweiß bedeckt, ihre Kappe verrutscht, und ihre kastanienroten Haare hingen ihr über die Schultern. »Wir haben viele solcher Tische.«
»Dies ist ein besonderer Tisch.« Sie versuchte ruhig zu sprechen, aber es gelang ihr nicht. Das Stahlkorsett hinderte sie daran, tief durchzuatmen. »In einem Zimmer, das Nicholas benützt, und wo sich noch ein Kleiderschrank im Raum befindet, in dem sich zwei Menschen verstecken können.«
»Kleiderschrank?« erwiderte Kit verwundert, und Dougless wußte in diesem Moment, daß ein Schrank im elizabethanischen England kein Möbelstück war, in dem man Kleider aufhängte.
Ein älterer Mann, der hinter Kit stand, flüsterte etwas, und Kit lächelte. »Die Kammer neben Nicholas’ Schlafgemach hat so einen Tisch. Er ist oft. ..«
Dougless hörte den Rest nicht mehr, sondern hob ihre Röcke und Unterröcke an und rannte die Treppe hinauf. Nicholas’ Schlafzimmer war das zweite Zimmer auf der rechten Seite, und gleich daneben befand sich eine Tür. Sie drehte am Knauf, aber die Tür war verschlossen. Sie rannte in sein Schlafzimmer und zu der Verbindungstür zu dieser Kammer, aber die war ebenfalls verschlossen.
Sie hämmerte mit den Handflächen gegen die Tür. »Nicholas! Wenn du dort drin bist,
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