Mehr als nur Traeume
Geschichtsbücher ruhig über ihn schreiben, daß er ein Verschwender und Lüstling gewesen war. Es stimmte doch beides. »Diese Ländereien und diese Armee gehörten dir, weil Kit inzwischen gestorben war, tot war; und Robert Sydney und deine geliebte Lettice waren die beiden Personen, die die Königin belogen.«
Nicholas’ Miene veränderte sich rasch. Aus Belustigung wurde kalte Wut. Er stand auf und rückte gegen sie vor. »Habt Ihr Euch in dieses Haus eingeschlichen, um das Leben meines Bruders zu gefährden? Glaubt Ihr, Ihr könntet mich mit Eurem Hexenzauber umgarnen, so daß ich fühle, was Ihr fühlt? In der Hoffnung, daß ich Euch zu meiner Frau mache und später zu einer Gräfin? Schreckt Ihr denn vor gar nichts zurück? Ihr beschmutzt den Namen meiner Verlobten und den eines Vetters, um an das Ziel Eurer Wünsche zu gelangen?«
Sie wich vor ihm zurück. Nun hatte sie wirklich Angst vor Nicholas. »Ich kann Euch nicht heiraten«, sagte sie. »Ich kann nicht einmal mit Euch ins Bett gehen, weil ich dann vermutlich verschwinden werde. Zudem wollte ich Euch gar nicht heiraten. Ich kam in diese Zeit, um Euch eine Botschaft zu übermitteln. Das ist alles. Vielleicht ist es mir sogar in diesen Minuten bestimmt, wieder zu verschwinden. Ich hoffe das sogar. Ich hoffe, daß ich Euch nie wiedersehe.«
Sie griff nach der Türklinke; aber er warf sie ihr vor der Nase zu und wollte sie nicht gehen lassen.
»Ich werde Euch beobachten. Wenn mein Bruder auch nur über Schmerzen klagt, werde ich wissen, daß Ihr sie ausgelöst habt. Und dafür werdet Ihr mir büßen.«
»Ich habe meine Voodoo-Puppe im Flugzeug vergessen. Wollt ihr mich jetzt gefälligst aus der Tür gehen lassen? Ich werde schreien, wenn Ihr mich daran hindert.«
»Seid auf der Hut, Weib!«
»Ich verstehe Euch gut, aber wie ihr seht, schreckt mich diese Warnung nicht, weil ich ja keine Hexe bin. Nun gebt die Tür frei und laßt mich hinaus.«
Er trat zur Seite, und Dougless verließ mit hoch erhobenem Kopf das Zimmer. Sie war schon vor Honorias Schlafzimmer angelangt, ehe ihr die Tränen kamen. Sie hatte geglaubt, Nicholas verloren zu haben, als er ins sechzehnte Jahrhundert zurückkehrte, aber damals hatte sie ihn nicht so gründlich verloren wie jetzt. Nun war er nicht einmal mehr der gleiche Mann, den sie gekannt und in so kurzer Zeit lieben gelernt hatte.
Sie ging nicht in Honorias Schlafzimmer, sondern in den Audienzsaal, wo sie sich auf eine Fensterbank setzte. Die winzigen, rautenförmigen Gläser, aus denen sich das Fenster zusammensetzte, waren so dick und uneben, daß Dougless nicht durch die Scheibe nach draußen blicken konnte. Aber das machte ihr nichts aus. Wie oft würde sie wohl noch den Mann verlieren, den sie liebte? War der Nicholas, der zu ihr ins zwanzigste Jahrhundert gekommen war, der gleiche Mann, der sie vorhin geküßt hatte? Die beiden schienen nichts miteinander gemein zu haben - nur die äußere Hülle.
Wieder einmal mußte sie sich sagen, daß sie auf den Verkehrten hereingefallen war. Wenn es nicht ein Mann war, der mit einem Bein im Gefängnis stand, dann eben ein Schürzenjäger, der mit jeder Frau, die er sah, gleich ins Bett gehen mußte. Erst verfluchte er sie als Hexe, und im nächsten Moment küßte er sie und zog sie auf seine Matratze.
Als draußen schon der Morgen heraufdämmerte, trocknete Dougless sich die Tränen ab und hörte auf, sich selbst zu bemitleiden. Nachdem Nicholas wieder in seine Zeit zurückgekehrt war, hatte man ihn hingerichtet, weil er -nicht über ausreichende Informationen verfügte. Sie glaubte, daß sie sich die notwendigen Daten hätten beschaffen können, wenn sie nur nicht so eifersüchtig auf Arabella gewesen wäre. Wenn sie mehr Zeit darauf verwandt hätte, Nachforschungen anzustellen, hätte sie ihm bestimmt das Leben retten können.
Und jetzt, wo ihr eine zweite Chance geboten wurde, machte sie den gleichen Fehler noch einmal. Sie ließ sich von Gefühlen beherrschen, die sie blind machten für das, was hier getan werden mußte. Diese unglaubliche, einmalige Gnade, daß zwei Menschen über Jahrhunderte hinweg die Plätze tauschen durften, war Nicholas und ihr zuteil geworden, damit sie Menschenleben retten und eine großes Unrecht verhüten sollte. Und sie hielt es für wichtiger zu klären, ob Nicholas sie noch liebte oder nicht. Sie bekam Eifersuchtsanfälle wie eine siebzehnjährige Oberschülerin, nur weil ein erwachsener Mann mit einer Frau in einer Rosenlaube
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