Mehr Sex weniger Abwasch
Sie haben Bauchweh. Sie haben es nach einem anstrengenden Tag im Büro oder auch mal mitten in der Nacht. Und nach dem Sport. Und wenn Sie zum Abendessen Nudeln hatten. Oder Eis. Oder gar nichts. Eigentlich ist kein Muster erkennbar – der Bauch tut weh und Sie wollen, dass das aufhört.
Also gehen Sie zum Arzt. Dieser erkundigt sich nach Ihrer Lebensweise und Ernährung, zuckt mit den Schultern und meint, Stress, ein Reizdarmsyndrom oder eine Lebensmittelallergie könnte die Ursache sein. Oder Laktoseintoleranz! Er kann keine genaue Ursache ausmachen und rät Ihnen, einen Gastroenterologen aufzusuchen.
Und so beginnt eine ein Jahr andauernde Odyssee von einem Arzt zum andern, vom Akupunkteur zum Allergologen – und in einem völlig verzweifelten Moment sogar zu einem Hypnotiseur. Sie unterziehen sich aufwändigen und teuren Prozeduren, einschließlich Computertomographie, Endoskopie, Koloskopie. Sie verzichten auf Brot, Milchprodukte, Eier und Thunfisch. Sie beißen die Zähne zusammen, wenn man winzige Nadeln in Ihre Knöchel, Ohrläppchen und Stirn sticht, um Ihre Chakren zu öffnen. Sie nehmen verschreibungspflichtige Pillen, Probiotika und säurebindende Tabletten ein. Am Ende des Jahres liegt Ihnen immer noch keine eindeutige Diagnose vor. Aber komischerweise haben die Bauchschmerzen nachgelassen. Na ja, es braucht eben alles seine Zeit. Abwarten.
Die Bauchschmerzen haben auch Ihrem Geldbeutel Bauchschmerzen bereitet, summa summarum haben Sie Ihre Beschwerden rund 300 Euro gekostet. Ihre Krankenversicherung hat insgesamt sogar 6 0 000 Euro bezahlt. Aber das kümmert Sie nicht sonderlich. Wozu hat man denn schließlich eine Krankenversicherung?
Es spricht nichts dagegen, es sei denn, man macht sich etwas aus dem » moralischen Fehlverhalten«, wie es im Versicherungswesen heißt, das droht, weil versicherte Menschen sich anders (und manchmal risikoreicher) verhalten als Menschen, die nicht versichert sind. Gehen Sie doch einmal von sich selbst aus. Sie hatten keinerlei Skrupel Tausende von Euros an Arztrechnungen einzureichen (für Bauchschmerzen, die Sie, mal Hand aufs Herz, nicht umgebracht hätten), weil es nicht Ihr Geld war.
Ihre Freundin Diana hingegen, die zufälligerweise auch Magenprobleme hatte, beschloss es mit Zitronen-Ingwer-Tee zu probieren. Diana war natürlich nicht sofort kuriert, genau wie Sie. Aber auch ihre Bauchschmerzen ließen, genau wie bei Ihnen, mit der Zeit allmählich nach, weil Diana auch auf ihre Ernährung achtete und Stress zu vermeiden versuchte. Gesamtkosten für Dina? 3 Euro für eine Packung Teebeutel.
Im Klartext
Moralisches Risiko
Wenn man dem Teufel den kleinen Finger hinhält, nimmt er die ganze Hand. Geh aufs Ganze, Rettung naht! Das Leben ist ein Freifahrtschein!
Wirtschaftswissenschaftler betrachten das Problem moralischer Risiken vor allem im Kontext von Versicherungen.
Früher war der Begriff nur unter den Feuerversicherern bekannt, die ihn im 19. Jahrhundert eingeführt haben. Damals unterschieden die Versicherungsgesellschaften zwischen zwei Ursachen für einen Feuerausbruch: natürliche Risiken wie Blitzschlag oder Kurzschluss sowie » moralische«, das heißt durch die Handlungen des Versicherten beeinflusste Risiken. Diese Handlungen können absichtsvoll (Brandstiftung), zufallsbedingt (eine umgestoßene Kerze) oder grob fahrlässig sein (eine glimmende Zigarette im Papierkorb).
Moralische Risiken werden als vermeidbar angesehen, Blitzschläge hingegen als Ereignisse im Rahmen der höheren Gewalt.
Wir mögen uns alle für redliche Menschen halten, doch Tatsache ist, dass wir alle das Potenzial zu » moralischen Risikospielern« haben, sobald unsere Handlungen keinerlei Konsequenzen haben.
Überlegen Sie: Wenn Sie keine Brandschutzversicherung haben, eine brennende Zigarette im Aschenbecher lassen und das Haus abbrennt, verlieren Sie Ihr ganzes Hab und Gut. Wenn Sie dagegen brandschutzversichert sind, erhalten Sie in diesem Fall Geld, um sich ein neues Haus zu bauen. Was meinen Sie? Unter welchen Umständen sind Sie eher geneigt, die Zigarette auszudrücken?
Oder ein anderes Beispiel: Mir als unverheirateter Single-Frau ist es wichtig, täglich Sport zu treiben, um fit und attraktiv zu bleiben und einen ebenso fitten und attraktiven Partner zu finden. Wenn ich verheiratet wäre, könnte mich das dazu verleiten, mein tägliches Fitnessprogramm aufzugeben und meine Figur wäre dahin. Was wird mein Mann dann tun? Sich scheiden lassen?
Aber halt, nicht
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