Mehr Sex weniger Abwasch
Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich zwischen einem Kredit über 1 0 000 Euro mit einer Zinsrate von fünf Prozent oder einem Kredit über 1 1 000 Euro zu einer Zinsrate von sechs Prozent entscheiden. Klingt fast identisch. Sechs Prozent sind etwas mehr als fünf Prozent, aber nur ein kleiner Unterschied zum höheren Kredit, richtig?
Nicht ganz. Fünf Prozent Zinsen auf 1 0 000 Euro machen 500 Euro. Sechs Prozent Zinsen auf 1 1 000 Euro machen 660 Euro. Der Grenznutzen des höheren Kredits besteht aus 1000 Euro, die Sie mehr in der Tasche haben. Die Grenzkosten jedoch liegen hier bei einem jährlichen Zins von 160 Euro (der Differenz zwischen 660 Euro und 550 Euro), was genau genommen enorme 16 Prozent Zinsen auf 1000 Euro Grenznutzen sind.
Das Denken in Grenzbegriffen besteht darin, Kosten und Nutzen dieser zusätzlichen 1000 Euro zu gewichten.
Unternehmen steigern ihre Erträge, indem sie in Grenzbegriffen denken. Fluggesellschaften verkaufen billige Last-Minute-Tickets, wenn die Flüge nicht ausgebucht sind, denn wenig Geld zusätzlich ist allemal besser als gar keines. Aus dem gleichen Grund bieten Hotels Schnäppchentarife für nicht gebuchte Zimmer. Damit erzielen sie zwar nicht die gleichen Gewinne wie beim Standardpreis, aber immerhin mehr als nichts. Anders gesagt: Kleinvieh macht auch Mist!
Eines Abends, nach einem heftigen Streit über das liebe Geld, lag Shawn im Bett und starrte die Decke an. Was, wenn seine geliebte Gattin sich zurück ins Arbeitsleben begeben würde? Kochen war ihre Leidenschaft – sie kochte wahnsinnig gut. Und es gab eine Menge Leute, die für gutes Essen viel Geld bezahlen würden. Shawn spann den Gedanken weiter: Vielleicht könnte er jeden Tag ein paar Stunden zu Hause auf die Kinder aufpassen, damit Claire Zeit zum Kochen oder Backen hatte. Die Opportunitätskosten würden sich auf Trainingseinheiten belaufen, die er ausfallen lassen müsste. Auf der anderen Seite aber würde er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und Claire zusätzliche Zeit am Herd bescheren. Einer musste schließlich in Grenzbegriffen denken und Kosten und Nutzen der schrittweisen Änderungen abwägen. Alfred Marshall wäre stolz!
Doch Claire sah diesen Plan skeptisch.
» Wer passt auf die Kinder auf, wenn ich mit Backen beschäftigt bin?«
» Ich«, sagte er und wies sie darauf hin, dass er bei seinem ohnehin gekürzten Gehalt nicht in aller Herrgottsfrüh zur Arbeit müsse. » Ich gehe um elf zur Arbeit, und du hast den Morgen zum Backen.«
» Und wer soll meine Muffins kaufen?«
» Jeder mit einem guten Geschmack«, antwortete er.
» Und wo, bitteschön, soll ich sie verkaufen?«, sagte sie. » Soll ich einen Laden eröffnen? Oder sie auf der Straße anbieten?«
» Jetzt mach mal halblang«, meinte Shawn. » Wir geben sie probeweise an ein paar Cafés und schauen, was passiert.«
Und sie probierten es aus.
Claire und Shawn feilten an einem Werbetext, der die Café-Besitzer überzeugen sollte. Claire stellte eine Auswahl an Muffins zusammen und ging damit ins Café um die Ecke. Der Besitzer schaute ein wenig verdutzt, als Claire mit Tablett und zwei Kindern am Rockzipfel in der Tür stand. Claire war so nervös, dass ihr schlecht war.
Doch der Besitzer schien angetan und nahm ihr ein Dutzend Muffins ab. Bis zehn Uhr waren alle verkauft. Und so bestellte er am nächsten Tag zwei Dutzend Muffins bei Claire. Sie konnte einen guten Preis für jeden verkauften Muffin aushandeln und bald die Küche des Cafés zum Backen nutzen. So kam sie mit den Gästen ins Gespräch, lernte viele neue Leute kennen und fand heraus, was sie wollten (Gebäck, Minimuffins, auch mal Kuch en). Der Besitzer sch lug vor, das Sortiment entsprechend zu erweitern.
Das letzte Mal, als wir Shawn und Claire trafen, hatten sie noch immer Schulden und gerieten nach wie vor aneinander. Aber sie hatten eine gute Methode entwickelt, die Dinge anzugehen, bevor es zu spät war: in kleinen Schritten denken. Und das hatte bislang in wenigstens einem Fall große Wirkung gezeigt – etwas mehr Geld, etwas mehr Zeit mit den Kindern und für Claire die Erfüllung ihrer kulinarischen Träume. Und wie hat Claire so schön gesagt? – » Immer einen Muffin nach dem anderen.«
Fallstudie 2
Die Akteure: Caroline und Tom
Seinen Kindern erklären zu müssen, dass Mama und Papa sich auf der Party einer Studentenverbindung kennen gelernt haben, ist wohl nicht ganz das romantische Märchen, das man als Eltern gerne erzählt. Aber es war
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