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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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dabei.«
    »Gut.«
    »Sie hat Cecilia geheißen.«
    »Ein hübscher Name.«
    »Cecilia Lopez.«
    »Mhmm. Als ich elf oder zwölf war, hab ich mir mal einen Klammeraffen schicken lassen.«
    »Entschuldige, aber …«
    »Mit einer Bestellkarte aus dem Comic-Heft: ›Ein süßes kleines Äffchen, das sogar in deiner Teetasse Platz hat.‹«
    »Aber, was hat das …?«
    »Sie hat auch Cecilia geheißen.«
    »Oh.«
    »Sie war schon tot, als ich sie gekriegt habe. Sie hat einfach so dagelegen in ihrem kleinen Karton. Das ist mir vielleicht an die Nieren gegangen.«
    »Wie grauenvoll! War … Wer hatte denn schuld?«
    »Eigentlich niemand.«
    Sie nickte voller Mitgefühl.
    »Es war … Selbstmord!«
    Sie schaute ihn mit gramerfüllter Miene an.
    »Drogen«, klärte er sie auf. »Und dabei war sie noch so jung. «
    Sie wollte ihre Hand auf die seine legen, aber er stand abrupt auf und knallte etwas Geld auf den Tresen.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Zum Ficken bin ich heute abend viel zu deprimiert.«
     
    Das Superman Building war ein turmhohes Art-déco-Wohnhaus an der Ecke Green und Leavenworth. Brian mochte es sehr gern, weil es ihn an das Daily-Planet-Gebäude aus der alten Fernsehserie erinnerte.
    Ist es ein Flugzeug, ist es eine Rakete? Nein, es ist Superman …
    Er mochte es auch deswegen sehr gern, weil es ihm zu einem Machtgefühl verhalf, das manchmal an der Grenze zum Erotischen lag.
    Als er an diesem Abend seine Levi’s und sein Rugbyshirt auszog, bemerkte er, daß im Superman Building hinter sechs oder sieben Fenstern noch Licht war.
    Er griff nach dem Fernglas und beobachtete einige Zeit den fünften Stock, in dem er sich auf eine große Eckwohnung konzentrierte. Eine plump wirkende Frau mit kurzen Haaren und einem roten Pullover bewegte sich schwerfällig durch die Zimmer und schüttelte die Kissen auf.
    Um Mitternacht?
    Stand der Besuch eines Liebhabers bevor? Eher unwahrscheinlich. Reiste schon frühmorgens jemand ab? Vielleicht, aber welcher Gast konnte dermaßen wichtig sein? Wahrscheinlich handelte es sich bloß um einen Fall von Langeweile. Von Langeweile, von Nervosität … oder von Irrsinn.
    Da Brian sich inzwischen selbst langweilte, wechselte er in den – in den wievielten? – in den siebten Stock? Dort stand ein dünner Mann mit leichter Glatze vor einem hell erleuchteten Fenster und hob langsam das Bein, um mit dem Fuß die ausgestreckte Hand zu berühren.
    Die Bewegung wirkte zu ausdrucksstark für Körpertraining und zu isoliert für Tanz. Vielleicht eine Kampfsportart … Aber vielleicht war das ganze Haus auch voller Verrückter.
    Wenn er nicht acht gab, würde er noch anfangen, diesen Leuten Namen zu geben. So wie Jimmy Stewart in Fenster zum Hof.
    Ein Licht ging an.
    Brian hob das Fernglas noch einmal hoch und zielte damit auf ein Zimmer im elften Stock, das von gedämpftem, leicht rötlich schimmerndem Licht erfüllt war. Gleich darauf erschien eine Frau.
    Sie blieb am Fenster stehen. Sie trug ein langes, nicht genau zu erkennendes Gewand. Einen Moment lang stand sie reglos da, dann glitten ihre Hände bis auf Taillenhöhe nach unten und gleich darauf wieder hoch zu ihrem Gesicht.
    Sie hatte ein Fernglas in der Hand. Und sie sah zu Brian herüber.

Das Haus
    In der Morgendämmerung wirkte die Wüste rund um Winnemucca so grau und holprig, als bestünde sie aus zerbröckeltem Beton, der von einem präkolumbianischen Freeway übriggeblieben war.
    Jedenfalls kam es Mona so vor, als sie aus dem Fenster des ramponierten Ford Ranchero blickte, der sie rasch und ohne viel Aufhebens von der Busstation an einen Ort brachte, der sich Blue Moon Lodge nannte.
    »Tja, das isses«, brüllte Mother Mucca und deutete mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe nach vorne zu dem flachen Gebäude mit Putzfassade, das sich in einiger Entfernung in die Landschaft duckte.
    »Hübsch«, sagte Mona.
    »Ja«, erwiderte Mother Mucca.
    »Haben Sie es schon lange?«
    »Sind dir sechzig Jahre lang genug?«
    Mona pfiff.
    Die Achtzigjährige stieß ein rauhes Glucksen hervor. »Mother Mucca ist eben ein altes Miststück!«
    Bevor Mona eine Bemerkung über die im Herzen Junggebliebenen zustande bringen konnte, bog der Ranchero abrupt auf einen staubigen Parkplatz ein, der gleich neben dem Bordell lag. Mother Mucca drückte kräftig auf die Hupe.
    »Himmel, Arsch und Wolkenbruch, wo is Bobbi denn?«
    Eine Aluminiumtür flog krachend auf und gab den Blick frei auf eine nervös wirkende blonde Frau von Mitte zwanzig. Sie

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