Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
Vom Netzwerk:
mir vorstellen.«
    »Was soll das denn heißen?«
    Er drehte sich nicht zu ihr um, während er sich J & B in ein Schnapsglas schüttete. »Es muß unvorstellbar strapaziös sein, eine Super-Jumbo-Tüte M & M’s aufzutreiben. Bist du den ganzen Weg zu Woolworth gefahren?«
    »Sehr witzig.«
    »Wenn du Fett so lustig findest, dann lach doch.«
    »Darf ich dich daran erinnern, daß ich zwei Babies im Bauch habe!«
    »Ich weiß«, sagte er und kippte seinen Scotch. »Schoko und Schoko-Nuß.«
     
    Das Abendessen bestand aus kalter Quiche und Salat. Sie aßen in eisigem Schweigen, vermieden jeden Blickkontakt und warteten mißmutig auf den Moment, von dem sie beide wußten, daß er kommen würde.
    »Wir müssen miteinander reden«, sagte Beauchamp schließlich.
    »Worüber?«
    »Das weißt du verdammt gut!«
    »Beauchamp … Ich habe es satt, darüber zu reden. Daß du verärgert bist, nehme ich dir nicht übel, wirklich nicht. Ich werde die Babies auf jeden Fall zur Welt bringen, aber diese … Schikanen halte ich nicht mehr länger aus.« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Ich habe lange überlegt. Und ich habe mich entschieden, zu Mutter zu ziehen.«
    »Brillant. Einfach brillant.«
    »Ob das brillant ist oder nicht, kann ich nicht sagen, aber wenigstens werde ich …«
    »Jetzt hörst du mir aber mal zu! Du schuldest mir noch eine Erklärung. Und bevor du mir nicht ein paar Fragen beantwortet hast, läufst du nicht nach Hause zu deiner Mommy.« Er kramte den Brief aus der Tasche und klatschte ihn ihr in die Hand. »Dieses reizende anonyme Sendschreiben habe ich heute im Büro bekommen!«
    DeDes Hände zitterten, als sie einen Notizzettel aus dem Umschlag zog. Die Botschaft, die mit gelbem Filzstift geschrieben war bestand aus acht Worten:
     
    WARUM NENNT IHR SIE NICHT
    YIN UND YANG?
     
    »Und?« sagte Beauchamp mit drohender Stimme. »Würdest du mir vielleicht erklären, was das heißen soll?«
    DeDe starrte die grauenhafte Botschaft mehrere Sekunden an, um Zeit zu schinden. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Ihr war klar, daß sich der Kreis geschlossen hatte. Ausgehend von ihrer besten Freundin Binky hatte sich die schändliche Wahrheit auf dem Weg über den Klatschkolumnisten Carson Callas in der ganzen Stadt ausgebreitet: Sie trug die Kinder eines Botenjungen vom Telegraph Hill unter dem Herzen!
    DeDe legte den Zettel mit der beschriebenen Seite nach unten auf den Tisch. »Das ist abstoßend«, sagte sie leise.
    »Beantworte meine Frage, DeDe.«
    »Beauchamp, bitte …«
    Er. wirkte angriffsbereit wie eine Kobra.
    »Ach, scheiß drauf, Beauchamp! Der Vater der Kinder ist Chinese!«

Die Lektion der Vermieterin
    Als Brian mit seiner Schicht bei Perry’s fertig war, ging er schnurstracks nach Hause in die Barbary Lane. Mrs. Madrigal thronte im Flur auf einer Stehleiter und wechselte eine Glühbirne aus. Mit ihrer Sechzig-Watt-Aura wirkte sie da oben wie eine Schundfilm-Madonna, die sich vorgenommen hatte, ein ahnungsloses französisches Dorf aufzumischen.
    »Willkommen auf Manderley«, sagte sie theatralisch. »Ich bin Mrs. Danvers. Ich bin sicher, daß Sie hier sehr glücklich sein werden.«
    Brian lachte. »Ist Ihnen heute abend nach Schauergeschichten zumute?«
    »Und wie! Dir etwa nicht? Dieses Haus ist doch die reinste Gruft, seit Mary Ann und Michael in Mexiko sind und Mona sich wer weiß wo rumtreibt … Und du ständig damit beschäftigt bist, der halben weiblichen Bevölkerung nachzustellen.«
    »Ich war arbeiten.«
    »Mhmm. Es ist auch Arbeit, nicht?«
    Ihre Sticheleien nervten ihn, doch er ließ sie über sich ergehen. Sie hatte ihm in ihrer Barbary-Lane-Familie die Rolle des alternden Don Juans zugewiesen, und im Moment paßte dieses Etikett ebenso gut wie jedes andere. »Na dann«, sagte er seufzend. »Ich kümmere mich jetzt wohl besser um meinen Abwasch. Auf dem kann man wahrscheinlich schon Penicillin gewinnen.«
    »Brian?«
    »Ja?«
    »Hast du Lust auf einen kleinen Joint mit einer alten Dame?« Sie blinzelte ihn mit ihren großen blauen Augen völlig ungeniert an.
    »Klar«, antwortete er lächelnd. »Ich besorg den Joint, wenn Sie die alte Dame ranschaffen.«
     
    Ihre Wohnung wirkte überladener denn je, als hätten die Deckchen und Troddeln in unbeobachteten Augenblicken noch mehr davon ausgebrütet. Die beiden Marmorstatuen, die Brian bei seinem ersten Besuch im Reich der Vermieterin so fasziniert hatten, flankierten noch immer den Durchgang ins Eßzimmer: ein Junge mit einem Dorn im Fuß

Weitere Kostenlose Bücher