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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Sie zog sich in eine halb sitzende Position hoch, lehnte sich an das Kopfbrett und rieb sich die Augen. »Drei Minuten, okay?«
    Sie taumelte in das winzige Badezimmer und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Es würde nur für eine Woche sein, sagte sie sich, und Prostitution war in Nevada schließlich erlaubt. Außerdem würde dieser Gig in ihrem Lebenslauf ganz schön rausknallen, wenn sie sich je dazu entschließen sollte, wieder als Werbetexterin zu arbeiten.
    Als sie aus dem Badezimmer zurückkam, fielen ihr zwei große Metallhaken an der Decke auf.
    »Wofür sind die denn?« wollte sie von Bobbi wissen.
    »Was?«
    »Die Haken da oben.«
    »Ach so. Das hier war mal Tanyas Zimmer.«
    Schon kapiert, vielen Dank. »Hat Tanya mit Haken gearbeitet?«
    Bobbi kicherte, als wäre Mona ein neues Kind in der Nachbarschaft, das noch nicht mal Himmel und Hölle spielen konnte. »Da hat sie die Schaukel dran aufgehängt.«
    Soll ich noch weiterfragen? dachte Mona. Ja. Ich bin Empfangsdame in einem Puff. Ich sollte über Schaukeln Bescheid wissen. »Und die Schaukel hat … zu ihrem Programm gehört?«
    Bobbi nickte. »Wasserspiele. Sie war richtig berühmt dafür.«
    »Du meinst …? Ich kapier das nicht.«
    »Ach, Dummerchen«, zwitscherte Bobbi. »Sie hat auf ihre Freier runtergepinkelt von dort oben. Während sie geschaukelt hat, verstehst du?«
    »Ich glaub, ich hab sie mal in der Gong-Show gesehen.«
    »Hmh?«
    »Ach, nichts. Warum ist sie eigentlich nicht mehr hier?«
    »Tanya? Sie ist an ein Haus in Elko gewechselt.«
    »Hat das denn was gebracht?«
    Bobbi zuckte mit den Schultern. »Für sie schon, denk ich. Mother Mucca war furchtbar pissig. Aber Tanya kommt wahrscheinlich sowieso wieder. Es gibt hier in der Gegend halt nur ein paar gute Häuser. Elko, Winnemucca, Wells … Und das war’s dann auch schon.«
    Mona unterdrückte ein despektierliches Grinsen. Dieses dumme Kind, das pinkeln sagte, wenn es pissen meinte, und pissig, wenn es sauer meinte, konnte sehr wohl zwischen einem achtbaren und einem weniger achtbaren Puff unterscheiden. »Und wo sind die lausigen Häuser?« wollte Mona wissen.
    Bobbi verzog nachdenklich den Mund. Offensichtlich war sie glücklich über ihre Rolle als Duncan Hines der Puffs. »Also, ich glaube … in Mina, und in Eureka und in Battle Mountain. Battle Mountain ist absolut das Hinterletzte. Wenn ein Mädchen mal in der Mühle drin ist … Na ja, dann kann sie die Sache auch gleich an den Nagel hängen.«
     
    Bobbis Einkünfte, erfuhr Mona, lagen bei ungefähr dreihundert Dollar in der Woche. Das blieb, nachdem Mother Mucca ihren Anteil kassiert und Bobbi für Kost und Logis bezahlt hatte.
    Alle Mädchen aus der Blue Moon Lodge mußten drei Wochen durcharbeiten und hatten anschließend eine Woche frei. Der Staat achtete darauf, daß sie eine Arbeitserlaubnis ausgestellt bekamen, daß ihre Fingerabdrücke abgenommen wurden, daß sie fotografiert und ärztlich untersucht wurden, bevor sie ihr Geschäft in Schwung brachten – oder ihre Schaukeln.
    Die einträglichsten Zeiten waren nach Bobbis Auskunft der Sommer, wenn der auf der Interstate 80 von Küste zu Küste rollende Verkehr stärker war, und die paar Wochen von Mitte September bis Mitte Oktober, wenn die Rotwildjäger in die Gegend einfielen.
    Die Mädchen aus der Blue Moon Lodge hatten das Recht, zum Einkaufen und zu einem Kino- oder Arztbesuch in die Stadt zu fahren, doch sie mußten sich dabei entsprechend den Bestimmungen der Gemeindeordnung von Winnemucca abwechseln.
    Außerdem gab es ein Gesetz, demzufolge eine Frau in keinem der Bordelle von Winnemucca arbeiten durfte, wenn ein Mitglied ihrer Familie seinen Wohnsitz im Bezirk Winnemucca hatte.
     
    »Mach schon«, drängte Bobbi, sobald Mona sich einigermaßen aufgerappelt hatte. »Ich will dir was ganz Tolles zeigen.«
    Mona wappnete sich gegen die zu erwartende Scheußlichkeit. Ein Gummizimmer vielleicht? Eine verspiegelte Zimmerdecke? Ein sexhungriger Esel? Ein mösenfreier Taucheranzug aus Naugahyde von Frederick’s of Hollywood?
    Bobbi ging voran, in die pralle Sonne hinaus. Die warme Wüstenluft rief Mona schlagartig den ursprünglichen Grund für ihre Flucht aus San Francisco in Erinnerung: Das Einswerden mit der Natur. Die Harmonie mit den Elementen.
    Aber nein … O nein. Buddha hatte sie zu etwas anderem bestimmt.
    Buddha wollte aus einem völlig unverständlichen Grund, daß sie ein Zimmer mit Haken in der Decke hatte.
    Ihr Ziel war Bobbis Zimmer, das dem von

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