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und eine Frau mit einem Wasserkrug.
Mrs. Madrigal setzte sich auf das uralte Samtsofa und zog die Beine mit einer Bewegung unter den Kimono, die überraschend mädchenhaft wirkte. Sie machte einen kurzen Zug an dem Joint und reichte ihn an ihren Mieter weiter. »Wer ist sie denn nun, mein Lieber?«
»Wer?«
»Das Wesen, das meinen Prinzen Sorglos zur Raserei treibt.«
Brian hielt den Rauch in der Lunge, so lange er konnte. »Ich glaube, Sie reden mit dem falschen Prinzen Sorglos.«
»Ja, meinst du?«
Ihr Blick sagte ihm, daß er sich ruhig bei ihr ausweinen konnte.
»Mrs. Madrigal, es ist schon spät, und ich bin nicht mehr aufgelegt zu Spielchen.« Seine Schroffheit war ihm peinlich, weshalb er lachend hinzufügte: »Wenn sie natürlich ein paar … weibliche Wesen in petto haben – auf meiner Büchse ist noch Platz für die eine oder andere Kerbe!«
»Brian, Brian … Das bist nicht du, mein Lieber.«
Er verlor die Geduld. »Ach, hören Sie auf mit …«
»Mir liegt was an dir, mein Lieber. Herrgott, ich weiß, daß ich eine neugierige alte Kuh bin, aber ich hab eben nichts Besseres zu tun. Ich meine, wenn du mal jemand zum Reden brauchst …« Sie beugte sich ein wenig vor und lächelte wie eine bekiffte Mona Lisa. »Darf ich dir einen unerbetenen Rat geben?«
Er nickte, obwohl er sich mit jeder Sekunde unwohler fühlte.
»Wenn du das nächste Mal ein Mädchen kennenlernst … eines, das du wirklich magst … dann tu so, als wärst du ein Kriegsheld, dem sie den Wasserhahn weggeschossen haben.«
Brian grinste ungläubig. »Was?«
»Ganz im Ernst, mein Lieber. Erzähl keiner Menschenseele von deiner Verletzung … Und schon gar nicht ibr\ … Aber tu vor dir selber so, als wär dir diese schreckliche Sache passiert und als könntest du deine Gefühle nur noch mit den Augen und dem Herzen vermitteln.«
»Und was mache ich, wenn sie mit mir nach Hause kommen will?«
»Das geht nicht, mein Lieber. Denk daran, daß du deinen Pillermann verloren hast. Du kannst nur tapfer lächeln und sie für den nächsten Abend zum Essen einladen … Oder vielleicht zu einem netten Spaziergang im Park. Sie wird ja sagen. Glaub mir nur.«
Brian machte einen langen Zug an dem Joint. »Und wie lange soll ich …?« Er atmete mitten im Satz aus und bemühte sich weiter um einen Ausdruck amüsierter Nachsichtigkeit. »Wie lange soll ich so tun, als ob?«
»So lange wie möglich. Bis sie dich fragt.«
»Bis sie mich was fragt?«
»Ob du im Krieg verwundet worden bist, natürlich!«
»Und was sage ich ihr dann?«
»Die Wahrheit, mein Lieber. Daß alles intakt ist. Das wird für sie eine ganz wunderbare Überraschung sein.«
Brian verschränkte die Arme und lächelte Mrs. Madrigal an.
»Und für dich« ,fügte sie mit erhobenem Zeigefinger hinzu, »wird es auch eine hübsche Überraschung sein.«
»Inwiefern?«
»Du wirst die arme Kleine dann kennen, Brian. Und es könnte sogar sein, daß du sie dann auch schon magst. «
Als Brian ein paar Minuten später am Fenster seines Häuschens auf dem Dach stand, staunte er darüber, daß Mrs. Madrigal in ihm lesen konnte wie in einem offenen Buch, daß sie »das Wesen, das meinen Prinzen Sorglos zur Raserei treibt« so mühelos ausfindig gemacht hatte.
Konnte man es in seinem Gesicht lesen? Weiteten sich seine Pupillen schon allein wegen der lendenstimulierenden Kraft der Phantasie? Welche Mundstellung oder welches Augenzucken verriet die Leidenschaft, die ihn mit zunehmender Heftigkeit verzehrte?
Zwei Minuten vor Mitternacht hob er das Fernglas vors Gesicht und richtete es auf den elften Stock des Superman Building.
Er hatte darum gebetet, und so passierte es auch – sie zeigte sich pünktlich auf die Minute.
Und Brian hörte sich aufstöhnen, als ihre Fernglasblicke sich auf halber Strecke trafen.
Bobbi
Mona war durch die Drogen und die lange Busfahrt so er schöpft, daß sie sich nach dem Frühstück in der Blue Moon Lodge schlafen legte. Die glühendheiße Mittagssonne hatte sie bereits gezwungen, die Decken wegzustrampeln, als Bobbi an die Tür ihres kleinen Blockhüttenabteils klopfte.
»Klopf, klopf«, sagte sie.
Mona stöhnte im stillen. Wie lange würde sie die hündische Zuneigung dieses zuckersüßen Flittchens ertragen können?
»Hallo, Judy. Mother Mucca hat mir gesagt, ich soll dir zeigen, wie die Telefone funktionieren.«
O wie gräßlich! Die Telefone. Sie hatte wohl tatsächlich einen Job. Für diesen acidfreien Trip mußte sie bezahlen.
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