Mehr Stadtgeschichten

Mona aufs Haar glich, aber drei Türen näher am Haupthaus lag. Bobbi öffnete schwungvoll die Tür.
    »Dort drüben«, rief sie. »Auf dem Regal über dem Bett.«
    Mona fiel die Kinnlade herunter.
    »Dolls of All Nations«, sagte Bobbi. »Ich sammel solche Puppen schon, seit ich zwölf bin.«
    »Sie sind … sehr hübsch«, kommentierte Mona.
    Die Kindsnutte strahlte voller Stolz. »Sie haben alle das gleiche Gesicht, aber … Na ja, wahrscheinlich kann man im Leben nicht alles haben.«
    »Nein.«
    »Du kannst sie anfassen, wenn du willst.«
    Mona ging zu dem Regal und tat so, als würde sie sich eine der Puppen genauer ansehen. »Sehr hübsch«, sagte sie leise.
    »Du hast dir meine Lieblingspuppe ausgeguckt. Norwegen.«
    »Ja?«
    »Glaubst du, daß die Mädchen in Norwegen wirklich solche Kleider …? Stimmt was nicht, Judy?«
    »Nein, ich … Ich war bloß einen Moment lang woanders mit meinen Gedanken.«
    Kurz darauf entschuldigte Mona sich und ging zurück in ihre Bude, wo sie sich ins Badezimmer einschloß und einige Zeit heulte.
    Angel Dust wirkte manchmal so bei ihr.

Der Tag des Leguans
    Das ziemlich unmögliche Trio nippte unter einem strohgedeckten Sonnenschirm vor dem Posada Vallarta an Coco Locos und schaute auf den blauesten aller Ozeane hinaus.
    »Es ist hübsch hier«, sagte Burke und streckte die Arme über den Kopf. »Ich bin froh, daß ihr mich mitgenommen habt. Zu den anderen Leuten auf dem Schiff habe ich nicht so den … richtigen Bezug.«
    Michael grinste ihn über seine Kokosnuß hinweg an. »Fährst du nicht ab auf Blaugespülte?«
    »Auf blau was?«
    »Auf alte Damen«, übersetzte Mary Ann.
    »Ach so.« Burke schaute erst Mary Ann, dann Michael an und lachte herzlich. »Anscheinend bin ich nicht mehr auf der Höhe der Zeit, hmh?«
    Mary Ann schüttelte den Kopf. »Mouse redet verschlüsselt, Burke. Die Hälfte der Zeit habe ich selber nicht die leiseste Ahnung, wovon er redet.«
    »Wie lange … kennt ihr euch schon?«
    Michael sah Mary Ann an. »Wie lang ist die Geschichte im Safeway her? Ein dreiviertel Jahr? Ein Jahr?«
    »Ja, das kommt hin.«
    »Wir haben uns im Supermarkt kennengelernt«, klärte Michael Burke auf. »Mary Ann hat versucht, mir meinen Liebhaber auszuspannen.«
    Burke schaute erstaunt drein. »Du bist …?«
    »Schwul wie nur was«, sagte Michael. Er stand lächelnd auf und zupfte seine blauen Rocky-Shorts aus Satin zurecht. »Ich gehe jetzt ein bißchen spazieren. Ihr zwei habt genau eine Stunde Zeit, um miteinander warm zu werden.«
    Mary Ann drehte sich um und sah Michael nach, der beschwingt auf die Brandung zulief. Dann lächelte sie Burke amüsiert und zugleich entschuldigend an. »Ich kann mir einfach nicht helfen mit ihm«, sagte sie.
    »Offensichtlich«, antwortete Burke lachend.
    Sie lachte mit. »So hab ich es nicht gemeint.«
    »Er macht aber einen sehr netten Eindruck.«
    »Ja. Ich hab ihn furchtbar gern.«
    »Aber er ist nicht dein …?«
    Sie schüttelte den Kopf und prustete dann los: »Er sagt, daß er sich als mein Kuppler versteht.« Ihr Lächeln verschwand schlagartig, als sie Burkes Gesicht sah. »War das gerade unanständig?«
    »Überhaupt nicht. Ich bin bloß … Na ja, ich hab noch nie jemand wie euch zwei kennengelernt.«
    Mary Ann ließ ihren Blick über sein Gesicht wandern, taxierte den kräftigen Unterkiefer, den vollen Mund und die verblüffende Naivität, die aus diesen weit auseinanderliegenden Augen sprach. Konnte jemand noch dermaßen unschuldig sein?
    »Wo kommst du her, Burke?«
    Er warf ihr einen kurzen Blick zu, dann zog er mit dem Zeigefinger den Rand seiner Kokosnuß nach. »Eigentlich von überall her.«
    »Ach so. Na ja, wo hast du dann in der letzten Zeit gewohnt?«
    »Äh … In San Francisco.«
    »Großartig! Ich auch! Und wo dort?«
    »Eigentlich bin ich aus Nantucket. Das heißt, meine Eltern leben jetzt dort, und ich wohne bei ihnen. Ich hab mal einige Zeit in San Francisco gelebt, aber damit ist es jetzt vorbei.«
    »Wo hast du gewohnt, als du …«
    Er stieß abrupt seinen Stuhl zurück. »Hast du nicht Lust, schwimmen zu gehen oder so? Ich finde, wir sollten diese eine Stunde nutzen.«
    Sie lächelte ihn an. »Du hast recht. Gehen wir.«
     
    Sie bummelten den Strand entlang in Richtung Stadt. Ab und zu machten sie halt und tollten in der Brandung herum oder sahen mit angehaltenem Atem den geblähten Flugdrachen zu, die durch den wolkenlosen Himmel glitten. Burke nahm alles mit unverhülltem Staunen in sich auf, mit