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der fröhlichen Offenheit eines Kindes, das zum erstenmal das Meer sieht.
Er war liebenswürdig, fiel Mary Ann auf, und zwar auf eine urwüchsige, männliche Art. Und er war männlich, ohne ein Macho zu sein. Es war unvorstellbar, daß er im Thomas Lord’s Sekretärinnen anbaggerte. Als ein Straßenhändler auftauchte, der sich einen abstoßenden Halsschmuck aus ausgestopften Leguanen umgelegt hatte, griff Burke sofort nach seiner Brieftasche.
»Welchen möchtest du haben?«
»Igitt! Das meinst du doch nicht ernst?«
»Dann so ein Hemd vielleicht? Das mit der Stickerei?«
»Burke … Du brauchst mir nichts kaufen.«
Er runzelte die Stirn und machte ein feierliches Gesicht.
»Wie willst du mich in Erinnerung behalten, wenn du keinen Leguan hast?«
Lächelnd legte sie ihre Hand auf die Stelle seines Rückens, an der ein Büschel goldener Haare über den Rand seiner Badehose lugte.
»Ich behalte dich schon in Erinnerung«, sagte sie. »Mach dir da mal keine Sorgen.«
Hoffnungslos normal
AlsDeDe Halcyon Day zehn Jahre alt gewesen war, hatten ihre Eltern sie ins Ferienlager an den Huntington Lake geschickt. Sechs schauderhafte Wochen lang hatte sie gelitten, wie nur ein dickes Kind leiden kann, das gezwungen wird, im Kanu zu paddeln, Brieftaschen zu nähen und verschiedene Lieder immer nach der Melodie von »O Tannenbaum« zu singen.
Das Ende des Ferienlagers war ihr damals als barmherzige Befreiung erschienen, als Flucht vor der Tyrannei von Kindern in die Annehmlichkeiten und den Schutz von Halcyon Hill.
Etwas ähnliches, etwas von dieser alten Sehnsucht nach Heimat, verspürte sie auch jetzt, als sie ihre Gucci-Koffer packte und sich innerlich auf Hillsborough einstellte.
Sie wollte Beauchamp hinter sich lassen.
Es sollte ihn das gleiche Schicksal ereilen wie das Juckpulver, die Betten mit den zu kurzen Laken und die hübschen vorpubertären Mädchen, die über Damenbinden witzelten.
Er sollte aus ihrem Leben verschwinden.
Aber Beauchamp ließ nicht locker.
»Dir ist doch wohl klar, daß dadurch überhaupt nichts besser wird!«
Sie ignorierte ihn und packte weiter ein.
»Okay. Du läufst also nach Hause zu deiner Mommy. Und was dann? Was glaubst du, was die Leute sagen werden, wenn die Babies erst mal auf der Welt sind?«
»Das ist mir doch egal, was die Leute sagen.«
»Oh, was bist du mal wieder au courant! «
DeDes Stimme blieb ruhig. »Ich will die Babies haben, Beauchamp.«
»Glaubst du denn, daß ihr Vater sie haben will? Wie soll er das überhaupt anstellen mit den beiden? Soll er sie sich auf den Gepäckträger schnallen, wenn er seine Liefertour fährt?«
»Laß ihn aus dem Spiel.«
»O Gott, ja! Bloß nicht an seine schützenswerten asiatischen Empfindlichkeiten rühren. Er hat ja auch nur einen unschuldigen ethnischen Vorstoß unternommen, und zwar in meine …«
»Halt die Klappe, Beauchamp!«
Er fauchte jetzt. »Warum läßt du deine Pearl-S.-Buck-Masche nicht einfach fallen, Miss Moralinsauer! Diese Babies sind dir doch scheißegal, und das weißt du auch!«
»Das ist nicht wahr.«
»Die Hälfte deiner Freundinnen hat schon eine Abtreibung hinter sich, DeDe.«
»Aber nicht im sechsten Monat.«
»Eine einfache Kochsalzinjektion, das ist alles. Es ist nicht komplizierter als …«
»Ich will nichts mehr davon hören.«
Er äffte ihren Ton nach. »›Ich will nichts mehr davon hören.‹ Scheiße! Schert es dich denn einen Dreck, welchen Demütigungen du mich aussetzt? Gibst du denn überhaupt noch einen Pfifferling auf Halcyon Communications – auf die Firma deines eigenen Vaters?« Er senkte dramatisch die Stimme und klang dann beinahe wehleidig. »Mein Gott, DeDe, man hat uns dieses Jahr für den PU Club vorgeschlagen.«
»Dich, Beauchamp. Mich nicht.«
»Das ist doch ein und dasselbe.«
DeDe blickte von ihrem Koffer auf und brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Jetzt nicht mehr«, sagte sie.
Er warf ihr einen mörderischen Blick zu, bevor er die Schlafzimmertür zuknallte und aus der Wohnung stürmte.
Beauchamp verschanzte sich für den Rest des Samstagnachmittags hinter seinem Schreibtisch bei Halcyon Communications und kniete sich in die neue Werbekampagne für Tidy-Teen Tampettes. Die Arbeit half ihm, seine Gedanken zu ordnen, so daß er sich gegen sechs auf einen anderen Zugang zu seinem Problem verlegte.
Er wählte eine Telefonnummer in West Portal.
»Ja?« knurrte eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Beauchamp wußte aus Erfahrung, daß der
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