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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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helfen?«
    »Ich glaube nicht, Bobbi.«
    Nach einer Pause kam die Frage: »Fühlst du dich auch wohl, Judy?«
    »Warum denn nicht? Er ist derjenige, dem alles weh tut.«
    Bobbi gickelte und schwenkte das Päckchen ein zweitesmal. »Willst du nicht wenigstens ein paar?«
    »Du leckst doch wohl die Füllung nicht raus, oder?«
    »Nein. Das kann ich nicht ausstehen.«
    »Ich auch nicht.«
    »Meine Mutter hätt mir nie welche gegeben, wenn ich die Füllung rausgeleckt hätt.«
    Mona lächelte. Mütter waren also doch zu etwas gut. Was spielt es da für eine Rolle, wenn wir in einem Puff in Winnemucca S/M-Nummern abziehen? Wir haben uns immer verboten, die Füllung aus den Oreos rauszulecken, mit gespreizten Beinen dazusitzen, auf andere Leute zu zeigen oder uns zu kratzen, wenn es juckt.
    »Und, wie isses?« Bobbi ließ nicht locker.
    »Na gut«, antwortete Mona. »Warum nicht?«
    Bobbi ließ sich hocherfreut auf das Bett plumpsen und riß die Kekspackung auf. »Und«, sagte sie, als sie Mona ein Oreo anbot, »wie hast du’s gefunden mit ihm?«
    Mona antwortete trocken: »Erschlagend.«
    Aber Bobbi sprang nicht darauf an. »Ich finde ihn ja richtig hübsch.«
    »Bobbi … Ich möchte nicht darüber reden, okay?«
    »Klar. Tut mir leid.«
    Bobbi zog die Knie unters Kinn und wickelte die Arme darum. Sie kaute meditativ auf einem Oreo herum, als wollte sie den Jahrgang feststellen. Dann blickte sie Mona schmachtend an.
    »Weißt du was, Judy?«
    »Was?«
    »Du bist meine beste Freundin.«
    Schweigen.
    »Ich schwor’s, Judy.«
    »Na ja, das ist … Danke.«
    »Kann ich über Nacht bleiben?«
    »Hier?«
    Bobbi nickte. »Wie bei ’ner Pyjamaparty oder so.«
    »Bobbi, ich glaube nicht, daß …«
    »Ich bin keine Lesbe, Judy.«
    Mona lächelte. »Und wenn ich eine bin?«
    Bobbi sah zuerst erschrocken drein, dann amüsiert. »Auf gar keinen Fall«, sagte sie lachend. »Du doch nich.«
    Trotz des damit einhergehenden Betrugs lachte Mona mit. D’orothea gehörte schließlich schon lange nicht mehr zu ihrem Leben. Aus Monas Sicht war das Lesbischsein bloß die logische Weiterentwicklung von Makrobiotik und Urschrei gewesen. Sie hatte sich darauf eingelassen, aber selten etwas davon gehabt, und sie war nie hinter seine Geheimnisse gekommen.
    Mona nahm das Oreo, das Bobbi ihr hinhielt, und brach es auseinander. »Wie sollen wir eine Pyjamaparty machen ohne Plattenspieler und einen Stapel Singles?«
    »Ich kenn ein paar Gruselgeschichten.«
    Mona grinste. »Wir könnten uns die Zehennägel lackieren.«
    »Ich hab meine gestern erst gemacht.«
    »Ach so, na ja, dann könnten wir …«
    »Die Füllung aus den Oreos rauslecken!« kreischten sie im Chor, als Mona ein Oreo hochhielt, bei dem die Creme bereits offenlag. Bobbi streckte erwartungsvoll die Zunge vor. »Die Milch fehlt noch«, platzte Mona heraus. Sie ließ das Oreo in Bobbis Hand fallen und hüpfte vom Bett.
     
    Mona machte einen Bogen um das Gesellschaftszimmer, weil sie hörte, daß Mother Mucca dort vier der Mädchen Aufstellung nehmen ließ für zwei betrunkene Fernfahrer. Sie betrat die Küche durch die Hintertür, tastete nach dem Lichtschalter und ging an den Kühlschrank. Im obersten Fach stand noch mehr als ein Liter Milch.
    Ein Krug wäre nicht schlecht, ging es Mona durch den Kopf. Wenn sie einen Krug hatten, konnten sie sich gegenseitig Milch eingießen. Bobbi würde das garantiert gefallen.
    Mona entdeckte einen auf dem Regal über dem Herd, ein blaßgrünes Exemplar aus der Zeit der Wirtschaftskrise, für das man in einem Antiquitätengeschäft in San Francisco sicher ein kleines Vermögen bekommen hätte.
    Als sie danach griff, streifte sie eine Reihe ramponierter Kochbücher, von denen eines zu Boden fiel. Sie bückte sich danach. Der Name auf dem Vorsatzblatt jagte ihr einen jähen Schrecken ein.
    Mona Ramsey.

Geduld, Geduld
    Zwei Tage vor der geplanten Ankunft der Pacific Princess in Acapulco stellte Michael beim Aufwachen fest, daß er alleine in der Kabine war. Mary Anns Bett war unberührt. Er hatte solche Lust auf einen kleinen Schlagabtausch, daß er in aller Eile duschte und zum Frühstück auf das Aloha-Deck hinunterhetzte.
    Mary Ann saß mit Arnold und Melba Littlefield bereits am Tisch. Das Ehepaar steckte in funkelnagelneuen Jeans-Hosenanzügen. Arnolds Anzug war mit aufgestickten Regenbögen verziert, der von Melba mit Schmetterlingen. Ogottogott, dachte Michael. In Dublin ist der Sommer der Liebe nie zu Ende gegangen.
    »Mensch«, donnerte

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