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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Arnold los, als Michael sich setzte, »schafft ihr zwei es denn nie, daß ihr mal zur gleichen Zeit zum Essenfassen kommt?«
    Mary Ann wurde rot und warf ihrem verspäteten Kabinengenossen einen nervösen Blick zu.
    Michael reagierte schelmisch. »Das kleine Frauchen hatte wohl schon schrecklichen Hunger.«
    Mary Ann gab ihm unter dem Tisch einen Tritt.
    Arnold lachte wissend in sich hinein und zwinkerte Michael zu.
    Melba schaute wie üblich verwirrt drein. »Sie haben wohl die ganze Nacht Boogie getanzt, was?« Melba hatte eine abnorme Vorliebe für Ausdrücke wie »Boogie«, »Schwatz« oder »Nepp«. Ein Vokabular, das sie nach Michaels Überzeugung aus der People bezog.
    »Boogie?« Er konnte sich genausogut seinen Spaß machen mit ihr.
    »Sie wissen schon. Dieser Tanz. Wird denn in der Skaal Bar nicht Disco angeboten?«
    »Ach so, ja, Sie haben recht. Das hab ich ganz vergessen. Ich war nämlich schon recht früh im Bett. Mit Christopher Isherwood.«
    Mary Ann rutschte verlegen hin und her. »Mouse, du hast noch nicht bestellt.«
    »Moment mal«, sagte Arnold zu Michael. »Sagen Sie das noch mal.«
    »Es ist ein Buch«, mischte Mary Ann sich ein.
    Michael nickte. »Christopher und die Seinen. «
    »Mouse … Ich glaube, der Steward …«
    »Um was geht’s da?« wollte Arnold wissen.
    »Er hat Cabaret geschrieben«, sagte Mary Ann.
    »Um Deutsche, hmh?«
    »Aber heftig«, sagte Michael.
    »Es gibt heute Blaubeerpfannkuchen, Mouse.«
    Melba seufzte. »Ist Liza Minnelli nicht einfach hinreißend?«
     
    »Los jetzt«, sagte Michael, sobald sie den Speisesaal verlassen hatten. »Ich will sofort alles wissen.«
    Mary Ann schmollte.
    »Mach schon. Hat er dir auf dem Achterdeck Gewalt angetan?« – Schweigen.
    »Hat er dich unter Deck geschändet? Hat er an deinen Zehen gelutscht? Hat er dich zu einem Kaffee eingeladen?«
    »Mouse, du hast mir das ganze Frühstück versaut!«
    »Du hättest ja Burke mitbringen können.«
    »Genau. Und unterm Tisch mit ihm füßeln, während du Arnold und Melba flotte Geschichten über dein kleines Frauchen erzählst, oder was?«
    »Jetzt mach aber mal halblang. Daß wir uns als Jungverheiratete ausgeben sollen, war deine Idee.«
    »Nicht so laut.«
    »Selber nicht so laut! Verdammt noch mal, wofür hältst du mich eigentlich? Für einen Mietehemann?«
    Mary Ann warf ihm einen giftigen Blick zu, stöhnte entnervt und marschierte an ihm vorbei den Korridor hinunter. Michael reagierte sich auf dem Promenadendeck ab, wo er unter den Rettungsbooten auf und ab lief, bis er wieder einen klaren Kopf hatte. Eine viertel Stunde später kehrte er in die Kabine zurück. Mary Ann saß am Tisch und schrieb Postkarten. Sie drehte sich nicht um.
    »Weißt du was?«
    »Was?«
    »Ich bin eifersüchtig.«
    »Mouse, versuch nicht …«
    »Es stimmt. Ich bin eine eifersüchtige kleine Tunte. Ich bin auf Burke eifersüchtig, weil er mir meine Spielkameradin weggenommen hat, und auf dich bin ich eifersüchtig, weil du einen Liebhaber gefunden hast.«
    Mary Ann drehte sich um. Sie hatte Tränen in den Augen. »Du wirst auch einen finden, Mouse. Ganz bestimmt. Vielleicht sogar in Acapulco.«
    »›Maybe this time‹ ,hm?«
    Sie lächelte, umarmte ihn und drückte ihn. »Dafür liebe ich dich, Michael Mouse.«
    »Wofür?«
    »Daß du alles in Songtexte packst.«
    »Ja«, sagte Michael. »Ist Liza Minnelli nicht einfach hinreißend?«
     
    Später war es an Mary Ann, sich zu entschuldigen. »Ich war auch boshaft, Mouse. Ich meine … Na ja, ich bin wohl ein bißchen nervös.«
    »Weswegen?«
    Sie zögerte, bevor sie antwortete. »Wegen Burke.«
    »War er nicht …?«
    »Er ist wunderbar, Mouse. Er ist einfühlsam, stark, rücksichtsvoll. Wir sind … na, du weißt schon … sexuell und überhaupt. Er beschützt mich, aber er behandelt mich völlig gleichberechtigt. Er knackt nicht mit den Fingerknöcheln. Er ist wunderbar, Mouse.«
    »Aber auch nicht wunderbar?«
    »Er hat Angst vor Rosen, Mouse.«
    »Äh … Wie bitte?«
    »In Las Hadas hat ein Zwerg versucht, uns eine Rose zu geben, aber als Burke sie gesehen hat, ist er schlagartig bleich geworden und hat in die Büsche gekotzt.«
    »Vielleicht ist er aus Pasadena.«
    »Es macht mir Sorgen, Mouse. So was ist doch nicht normal, oder?«
    »Das fragst du mich?«
    »Als ich versucht habe, mit ihm darüber zu reden, hat er das Thema gewechselt. Vermutlich hat er nicht die geringste Ahnung, warum er so heftig reagiert hat.«

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