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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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in einem einzigen lebensfrohen und liebenden Menschen!
    Mona sprang von dem Führerhaus und rannte zurück zum Haus. Ihr Herz klopfte vor Erwartung wie wild, und die Hoffnung löste in ihrem Kopf fast einen Kurzschluß aus. Wer brauchte schon eine fliegende Untertasse? So wie Dorothy aus dem Zauberer von Oz brauchte sie nur dreimal die Hacken ihrer Schuhe zusammenzuschlagen, um wieder zu Auntie Em zurückzufinden.
    Ohne das geringste Zögern und ohne jede Furcht vor der Griesgrämigkeit der alten Frau stieß Mona die Tür zu Mother Muccas Zimmer auf.
    Die Puffmutter bürstete sich gerade die Haare. »Kannst du nicht klopfen?«
    »Mother Mucca … Oh, entschuldigen Sie bitte, aber ich …« Sie lehnte sich an die Wand und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »Es gibt etwas, das ich …«
    Die alte Frau runzelte besorgt die Stirn. »Is was mit dir, Judy?«
    »Nein. Nicht Judy. Mona.«
    »Nenn mich nicht so, Püppi!«
    »Tu ich ja auch gar nicht, Mother Mucca. Ich habe bloß gesagt, daß ich nicht Judy heiße. Ich heiße Mona. Mona Ramsey… Genau wie Sie.«
    Mother Mucca funkelte Mona wütend an, bevor sie sich wieder dem Spiegel zuwandte und mit dem Bürsten weitermachte.
    »Ich hab’s dir ja gesagt wegen diesem Angel Dust, Püppi.«
    »Mother Mucca, ich habe kein …«
    »Wenn ich dich erwisch, wie de im Haus rauchst, Judy, dann fliegste auf der Stelle!«
    Mona hatte ihre Fassung wieder und versuchte, Mother Mucca gut zuzureden. »Ich weiß, daß Sie das nicht glauben können. Ich kann es ja selber kaum glauben. Es ist wie ein … Na ja, es ist wie ein Wunder, Mother Mucca. Irgendeine unsichtbare kosmische Kraft hat uns zusammengeführt, weil wir beide uns brauchen, weil wir …«
    »Weißte, Püppi, wenn de mich …«
    »Ich hol meine Tasche! Ich zeig Ihnen meinen … Das heißt, da fällt mir ein, ich hab gar keinen Ausweis dabei. Ich schwöre Ihnen, daß ich so heiße. Ich hab Ihnen gesagt, daß ich Judy heiße, weil ich … Es war mir ein bißchen peinlich, daß ich hier arbeite und so … Bitte, beantworten Sie mir nur eine Frage.«
    »Los jetzt … Raus hier!«
    »Erst müssen Sie meine Frage beantworten.«
    »Ich hab doch gesagt …«
    »Wie hat Ihr kleiner Junge geheißen?«
    »Was meinste denn, wer de bist, daß de …«
    »Wie hat er geheißen?«
    Mother Mucca griff nach dem Haustelefon auf ihrer Frisierkommode. »Ich hol jetz Charlene, Judy.«
    »Mona!«
    »Du tust mir so was von leid, daß ich nich mal …«
    Mona riß ihr den Hörer aus der Hand. »Hören Sie mir zu! Ich mag Sie unheimlich gern, verflucht noch mal! Andy hat er geheißen, nicht? Ihr Sohn hat Andy geheißen!«
    Verblüfftes Schweigen. Dann: »Wer hat dir das gesagt?«
    »Was glauben Sie? Charlene? Marnie? Bobbi vielleicht? Sie haben es nie jemandem erzählt, nicht? Es hat viel zu weh getan, und deswegen haben Sie nie über ihn geredet.« Mona holte tief Luft, ehe sie auf die Knie sank und die Hände der alten Frau in die ihren nahm. »Mother Mucca … Er hat es mir gesagt. Andy hat es mir gesagt. Ich wohne in San Francisco bei ihm … Und er ist mein Vater.«
    Die Augen der Puffmutter waren voller Tränen. »Ich bin ’n altes Weib, Püppi. ’ne Lüge kann da schrecklich weh tun.«
    »Ich würde Ihnen niemals weh tun, Mother Mucca.«
    »Und … wieso biste dann hier?«
    Mona lächelte sie an. »War’s nicht so, daß Sie mich hergeschleppt haben?«
    »Ich versteh das alles nich.«
    »Ich hab es Ihnen doch gesagt. Es ist ein Wunder! Ich bin Ihre Enkelin, Mother Mucca. Verdammt, ich hab meine Wurzeln gefunden!«
    Die Augen der alten Frau verengten sich zu Schlitzen. »Wo haste so reden gelernt, Mona?«

Das ist meine Welt, und sonst gar nichts
    Der Mann, mit dem Michael tanzte, spürte, daß etwas nicht stimmte. »Entschuldigung, bitte … Du kennst den Mann?«
    Michael befand sich in einem beinahe tranceartigen Zustand. »Ich … Ja. Ich hoffe, es macht dir nichts aus. Ich hab ihn mal … Entschuldige, okay?«
    Der Mann nickte anscheinend eher verwirrt als gekränkt und tänzelte zurück zur Bar. Michael stand wie angewurzelt da und legte sich alle möglichen Eröffnungssätze zurecht. Jon hatte ihn noch nicht gesehen.
    Ein kratziger Plattenspieler trötete »Cherchez la Femme«. Derselbe Song war damals im Endup gelaufen, als Michael den Tanzwettbewerb in Jockey-Shorts gewonnen hatte … Und Dr. Jon Fielding sich für immer aus seinem Leben verabschiedet hatte.
    Bei Michael dauerte ein »für immer« nie besonders lang.
    »Hallo,

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