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beugte sich dann aber noch einmal über ihr Plakat.
Diesmal schrieb sie: ZIEH DICH AUS.
Brian schüttelte verärgert den Kopf.
Lady Eleven schüttelte das Plakat.
Brian schüttelte den Kopf.
Lady Eleven kritzelte wieder etwas auf das Plakat und hielt es hoch. Dem ZIEH DICH AUS hatte sie ein WENN DU MICH LIEBST hinzugefügt.
Brian schüttelte den Kopf.
Verärgert dachte er einen Augenblick daran, die Vorhänge zuzuziehen und es sich mit dem Odorama-Poster aus dem Hustler im Bett gemütlich zu machen. Solchen Blödsinn hatte er doch nicht nötig. Frauen, die sich um seinen Arsch rissen, ohne solche entwürdigenden Forderungen zu stellen, gab es doch tonnenweise.
Warum ausgerechnet die? Warum sollte er sich vor dieser namenlosen, neurotischen und zwanghaften Verrückten erniedrigen?
Natürlich kannte er die Antwort:
Weil sie ihn brauchte. Weil die Selbsterniedrigung, einem Fremden »Wenn du mich liebst« hinzuschreiben, noch jammervoller war als die, sich vor einem Fremden nackt auszuziehen. Weil sie verzweifelt war und niemand sonst sie retten konnte.
Also knüpfte er den Gürtel seines Bademantels auf.
Lady Eleven griff wieder nach ihrem Fernglas, als Brian den Bademantel fallen ließ. Sie beobachtete ihn – lächelnd? –, bis sein Ständer zu sehen war. Dann fing sie an, ihr Kostüm aufzuknöpfen.
Als sie beide nackt waren, fing das Ritual von neuem an, und zwar fiebriger und hingebungsvoller als je zuvor.
Durch den Nebel seiner Leidenschaft hörte Brian, wie jemand an die Tür klopfte.
Dann war eine Stimme zu hören: »Brian, ich bin’s. Mona. Ich habe gerade ein bißchen Naduweißtschon besorgt. Was hältst du davon, wenn wir uns ein paar Linien reinziehen?«
Stumm und starr wie ein Satyr auf einem pompejanischen Fries wartete Brian, bis der Eindringling wieder gegangen war.
Dann wandte er sich von neuem seiner Geliebten zu.
Rätsel im Morgengrauen
Zum drittenmal in einer Woche schlief Mary Ann in Burkes Wohnung. Kurz vor Morgengrauen wurde sie von etwas wach – von einem Geräusch, einem bösen Traum oder dem letzten Schrei der Forelle, die sie zum Abendessen gekocht hatte. Sie stützte den Kopf auf und weckte Brian durch schiere Willensanstrengung.
Er blinzelte sie an. »Was ist los, Schätzchen?«
»Er muß irgendwo auf dem Land sein.«
»Wer?«
»Der geheiligte Stein.«
»Ach, du meine Güte! Schlaf doch noch ein bißchen, ja?«
»In fünf Minuten. Aber sag’s mir zuerst noch mal vor.«
Burke stöhnte. Dann kotzte er das Gedicht raus wie ein Zwölfjähriger, der Lincolns Gettysburg Address aufsagen mußte:
Hoch auf dem geheiligten Stein
Leuchtet die inkarnierte Rose
Über dem Berg der Flut
Am Kreuzungspunkt der Linien.
»Siehst du?« sagte Mary Ann. »Es ist ein hügeliges Gelände.«
»Kluges Mädchen.«
Sie bohrte ihm die Finger in die Seite. »Wie heißt der Berg aus der Bibel?«
»Ölberg.«
»Nein, du Dussel. Der, auf dem Noahs Arche gelandet ist. Der Berg der Flut, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ararat.«
Sie kaute nachdenklich auf dem Zeigefinger herum. »Ich frage mich, ob irgendwas so heißt. Hier in der Gegend, meine ich.«
»Keine Ahnung.«
Mary Ann schlug die Decken zurück und kletterte aus dem Bett.
»Verdammt, was machst du denn?« fragte Burke.
»Ich schau im Telefonbuch nach.«
»Komm sofort wieder ins Bett!«
»Ich hab’s doch gleich.« Sie fand das Telefonbuch auf dem Fußboden und blätterte rasch darin herum. »Arante … Araquistain … Ararat! Ararat, Armenisches Restaurant, Clement Street 1000! Sieh doch, Burke!«
»Na und?«
»Es könnte da eine Verbindung geben.« Weil sie nicht einen Hauch von Begeisterung bei ihm spürte, rümpfte sie verärgert die Nase. »Interessiert dich die Aufklärung denn gar nicht, Burke?«
Sein Lächeln war aufreizend gemeint. »Na schön, Angie Dickinson. Was ist dann die inkarnierte Rose? Ein besonders extravagantes Gericht aus deinem Restaurant?«
»Könnte doch sein, du Klugscheißer.«
»Und der Kreuzungspunkt der Linien?«
»Ich finde deine Einstellung überhaupt nicht gut.«
»Dann hast du wahrscheinlich auch keine Lust, dir meine Theorie anzuhören, was?«
»Hast du denn eine?«
»Ja.«
»Dann raus damit.«
»Das kostet aber was.«
»Keine Chance.«
Mit theatralischer Geste preßte er die Fingerspitzen gegen die Stirn. »Ohhhh … es läßt nach. Ich fürchte, ich verliere es. Es ist nur noch ein schwaches, schwaches …«
»Na, von miiiir aus!« Grinsend kletterte sie
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