Mein Auge ruht auf dir - Thriller
York gebracht. Dort hatte er ihre Fesseln gelöst, sie hatten die Toilette benutzen dürfen, dann hatte er sie wieder gefesselt. Lillian lag jetzt wimmernd auf dem mit Goldbrokat bezogenen Sofa. Und Mariah hatte er hinter einer Reihe lebensgroßer griechischer Statuen auf einer Matratze am Boden abgelegt. Erneut war sie ohnmächtig geworden. Es war eine brillante Entscheidung gewesen, Lillian nicht sofort umzubringen. Wie hätte er sonst Mariah dazu bringen können, mitten in der Nacht zu ihm zu kommen? Und seit Langem wusste er, wie er sein Apartmentgebäude unerkannt betreten und verlassen konnte. Es war nicht schwer, man brauchte dazu nur eine Uniform der Putzkolonne, man musste sich die Mütze tief in die Stirn ziehen und einen gefälschten Ausweis um den Hals hängen haben.
Kurz vor Tagesanbruch war er zurückgekehrt. Jetzt wusste er nicht, was er machen sollte, außer so zu tun, als wäre es ein ganz normaler Tag. Er war müde, legte sich aber nicht mehr ins Bett, sondern duschte, zog sich an und nahm wie immer zum Frühstück Toast, Haferflocken und Kaffee zu sich.
Kurz nach neun verließ er seine Wohnung und bemühte sich um einen normalen Tagesablauf. Er versuchte die Ruhe zu bewahren und hoffte inständig, dass sich der Gauner bei der Anfertigung des Phantombilds für einen der drei anderen entscheiden würde, falls seine Behauptungen frei erfunden waren und er lediglich das Foto in der Zeitung gesehen hatte.
Bevor er nicht wusste, in welche Richtung sich das alles entwickelte, musste er sich vom Lagerhaus fernhalten. Mariah und Lillian, dachte er spöttisch, es sieht ganz danach aus, als dürftet ihr noch etwas länger am Leben bleiben. Aber selbst wenn mir das Phantombild ähnlich sieht und die Polizei mich erneut vorladen sollte, wird es nicht genügend Beweise geben, um mich zu verhaften. Ich würde lediglich in den Kreis der Verdächtigen aufgenommen. Vielleicht werde ich dann beschattet, aber das würde ihnen nichts nützen. Ich werde brav einen weiten Bogen um das Lagerhaus machen, bis ich weiß, wie es weitergeht.
Und wenn es Wochen dauern sollte.
76
N achdem Detective Benet mit Lloyd Scott gesprochen hatte, rief er Richter Brown an und erhielt von ihm die Genehmigung, Mariahs Handy sowie den Anschluss im Haus ihrer Eltern zu überwachen und sämtliche Gespräche aufzuzeichnen.
»Vieles weist darauf hin, dass Mariah Lyons ebenfalls vermisst wird«, erklärte er. »Ich brauche eine Liste mit ihren Telefonaten der letzten fünf Tage, damit ich sehe, mit wem sie gesprochen hat, und ich müsste in den nächsten fünf Tagen ihre Telefone überwachen las sen, damit ich sehe, wer sie anruft.«
Sein nächster Anruf galt dem betreffenden Angestell ten bei der Telefongesellschaft, der speziell für solche kurzfristigen richterlichen Beschlüsse zuständig war.
»Ich werde mich sofort darum kümmern, Sir«, beschied ihm dieser.
Zehn Minuten später war das Handy lokalisiert. »Detective Benet, wir haben es an der Route 4 East in Fort Lee erfasst, kurz vor der Brücke. In unmittelbarer Umgebung des Raines Motel.«
Rita Rodriguez konnte an Benets Miene ablesen, dass schlechte Neuigkeiten eingetroffen waren.
»Wir haben ein Problem«, sagte er. »Das Signal kommt aus der Nähe des Raines Motel. Ein ziemlich heruntergekommener Laden. Wir können in zehn Minuten dort sein. Also los.«
Mit eingeschaltetem Blaulicht rasten sie über den Highway und standen bald vor Mariahs Wagen. Die Fahrertür war nur angelehnt. Auf dem Beifahrersitz lag eine Handtasche. Vorsichtig, um mögliche Fingerabdrücke nicht zu verwischen, öffneten sie die Tür und hörten aus der Handtasche das Klingeln des Handys.
Simon griff zum Gerät und sah nach, wer anrief. Es war Richard Callahan. Daraufhin ließ er sich die Liste mit den letzten Anrufen anzeigen. Es war sein vierter Anruf in den letzten zwei Stunden. Daneben gab es zwei weitere vom Anschluss im Haus der Lyons, die, wie er wusste, von der Haushälterin stammten, und zwei weitere von Alvirah Meehan.
Zwei Tage zuvor war Lillian Stewart verschwunden, und Richard Callahan hatte behauptet, den ganzen Tag versucht zu haben, sie zu erreichen, dachte Benet. Und jetzt wollte er offensichtlich wieder seine Spuren verwischen.
»Simon, schau dir das an.« Rita deutete auf die unverkennbaren verschmierten Blutspuren, die sich an der hinteren Tür an der Fahrerseite abzeichneten. Auch auf dem aufgerissenen Teer waren getrocknete Blutstropfen zu erkennen.
Benet ging in die Hocke
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