Mein Auge ruht auf dir - Thriller
unliebsamen Anruf von Rory. »Ich war gerade bei ihnen«, sagte sie. »Mariah und der Anwalt sind zum Gericht gefahren. Ganz ehrlich, ich werde langsam nervös. Sie haben angedeutet, dass jemand den Verdacht auf Kathleen lenken will. Bislang habe ich geglaubt, sie wollen nur beweisen, dass sie verrückt ist. Was sie ja auch ist, weiß Gott! Sie haben wirklich keine Spuren hinterlassen, keine Fingerabdrücke oder Ähnliches?«
»Wir sind für heute Abend verabredet. Hätten Sie nicht noch so lange warten können, um mir das zu sagen?«
»Hören Sie, es gibt keinen Grund, mich wie den letzten Dreck zu behandeln. Wir stecken beide bis zum Hals mit drin. Wenn mich die Polizei aus irgendeinem Grund ins Visier nehmen sollte, wird sie auf mein Vorstrafenregister stoßen. Dann ist es vorbei. Wir treffen uns heute Abend! Und Sie haben mein Geld dabei, den vollen Betrag! Es wird mir hier zu heiß. Ich werde mich aus dem Staub machen, bevor es zu spät ist. Und keine Sorge, nach dem heutigen Abend werden Sie von mir nie wieder etwas hören.«
»Ihr Vorstrafenregister ist noch lange kein Beweis dafür, dass Sie in die Sache verstrickt sind«, erwiderte er. »Aber falls Sie untertauchen, wird die Polizei wissen, dass Sie etwas damit zu tun haben. Und dann wird man Sie aufspüren. Geraten Sie nicht in Panik. Und falls Sie wirklich von der Polizei befragt werden, spielen Sie einfach die fürsorgliche Krankenpflegerin, die es nicht erwarten kann, dass Kathleen wieder nach Hause kommt.«
»Das kann ich nicht. Es wird nicht funktionieren. Ich habe gelogen, als ich mich bei der Agentur für die Krankenpflegerstelle beworben habe. Sie wissen, dass ich mich unter einem falschen Namen angemeldet habe. Damit habe ich gegen die Bewährungsauflagen verstoßen. Ich muss also weg.«
»Gut, wie Sie wollen«, blaffte er. »Sie werden heute Abend Ihr Geld bekommen. Nehmen Sie wie vereinbart die U-Bahn bis zur Chambers Street. Seien Sie Punkt acht Uhr da. Ich werde in einem kleinen schwarzen Wagen an der Ecke warten. Wir fahren dann zusammen um den Block, ich gebe Ihnen das Geld, Sie können es nachzählen, dann setze ich Sie vor dem Eingang zur U-Bahn wieder ab, und Sie können tun und lassen, was Sie wollen.«
Rory legte auf und musste daran denken, dass sie sich nach ihrer letzten Haftentlassung wirklich vorgenommen hatte, nie wieder in Schwierigkeiten zu geraten. Hätte mich nur Joe Peck geheiratet, dachte sie. Dann hätte ich die Stelle in New Jersey nicht angenommen. Und ich hätte nie das Haus betreten, in dem dieser Dreckskerl immer zum Essen gekommen ist. Und mich erkannt und dann erpresst und in die Sache mit hineingezogen hat.
Sie lächelte gequält. Andererseits ist es mir immer furchtbar auf die Nerven gegangen, diese Geistesgestörten füttern und waschen zu müssen. Na, wenigstens hatte ich hin und wieder auch meinen Spaß dabei, so wie damals, als ich die Fotos von Jonathan und Lily gefunden und sie Kathleen gezeigt habe. Wahrscheinlich brauche ich eben immer ein bisschen Abwechslung im Leben.
Und jetzt, mit dem vielen Geld in der Tasche, kann es mit der Abwechslung so richtig losgehen. Sollen sich doch andere um die Bettpfannen kümmern.
29
D ie Detectives Simon Benet und Rita Rodriguez hatten im Gerichtssaal in der letzten Reihe gesessen und die Anklageerhebung gegen Kathleen Lyons mitverfolgt. Daraufhin gingen sie nach unten in ihr Büro im ersten Stock, wo Pater Joseph Kelly, der von ihnen engagierte Bibelwissenschaftler, bereits auf sie wartete. Nach dem Gespräch mit Pater Aiden, bei dem sie erfahren hatten, dass sich ein wertvolles altes Pergament in Jonathans Besitz befinden würde, hatten sie sich bei Pater Kelly gemeldet und ihm vorsorglich bereits ihr Anliegen vorgetragen.
Bei der Hausdurchsuchung am Tag zuvor hatte Mariah auf einen Karton mit Dokumenten hingewiesen, an denen ihr Vater gearbeitet habe. Noch am Abend hatte Simon Benet Pater Kelly ein zweites Mal angerufen und ihn gebeten, diesen Morgen um halb zehn ins Büro des Staatsanwalts zu kommen.
»Pater«, begann Rita, »nach unserem Wissen sind das die Schriftstücke, die Jonathan Lyons vor seinem Tod übersetzt hat. Wir haben heute Morgen die weiteren Unterlagen aus dem Haus der Lyons durchgesehen, aber dieser Karton scheint der einzige zu sein, der so ein Dokument enthalten könnte.«
Pater Kelly, zweiundachtzig Jahre alt, aber bemerkenswert vital, antwortete trocken: »Ich würde einen Brief, der möglicherweise von Jesus geschrieben wurde, nicht
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