Mein Auge ruht auf dir - Thriller
»Euer Ehren, meine Mandantin ist siebzig Jahre alt und in einem äußerst fragilen Gesundheitszustand. Sie leidet an einer Alzheimer-Erkrankung in fortgeschrittenem Stadium. Fünfhunderttausend Dollar ist ein extrem hoher und in diesem Fall unnötig hoher Betrag. Sie lebt seit einunddreißig Jahren in Mahwah, es besteht absolut keine Fluchtgefahr. Wir garantieren dem Gericht, dass sie zu Hause rund um die Uhr betreut und überwacht wird. Somit bitten wir Euer Ehren, sie noch heute auf Kaution freizulassen, und beantragen eine weitere Anhörung in einer Woche, um die Kautionsbedingungen festzulegen, nachdem ein ambulant erstelltes psychiatrisches Gutachten vorliegt. Ich füge hinzu, dass ich bereits mit einem Kautionssteller vereinbart habe, den von Euer Ehren heute festgesetzten Betrag gleich welcher Höhe zu begleichen.«
Mariah betete im Stillen. Bitte, Gott, sorge dafür, dass der Richter sich einsichtig zeigt. Sorge dafür, dass er sie nach Hause gehen lässt.
Der Richter beugte sich vor. »Zweck der Kaution ist es, das Erscheinen des Beschuldigten vor Gericht zu gewährleisten, und Zweck der Kautionsbedingungen ist der Schutz der Allgemeinheit. Diese Frau wird des Mordes beschuldigt. Sie gilt bis auf Weiteres als unschuldig, unter den gegebenen Umständen aber ist es unbedingt erforderlich, stationär ein psychiatrisches Gutachten zu erstellen, aufgrund dessen ich in der Lage bin, eine sachlich begründete Entscheidung hinsichtlich Kautionshöhe und entsprechenden Kautionsbedingungen zu treffen. Zur Gutachtenerstellung wird die Beschuldigte in das Bergen Park Medical Center eingewiesen. Eine weitere Anhörung wird in diesem Gericht am Freitag um neun Uhr stattfinden. Bis dahin wird sie keinesfalls gegen Kaution freigelassen. Dies ist die Anordnung des Gerichts.«
Wie betäubt sah Mariah zu, wie die beiden Polizistinnen Kathleen zurück in die Zelle führten. Lloyd folgte ihnen, drehte sich noch zu Mariah um und deutete ihr an, auf ihn zu warten. Die Fotografen, die während der Anhörung Aufnahmen machen durften, wurden vom Gerichtsdiener zum Gehen aufgefordert. Keine zwei Minuten später war sie allein im Gerichtssaal.
Zehn Minuten später kehrte Lloyd zurück. »Kann ich Mom sehen?«, fragte sie.
»Nein, tut mir leid, Mariah. Sie ist in Gewahrsam, da ist so etwas nicht erlaubt.«
»Wie geht es ihr? Sagen Sie mir die Wahrheit!«
»Ich will Sie nicht belügen. Sie ist sehr verängstigt. Sie fragt nach ihrem Schal. Warum will sie ihn sich immer ums Gesicht wickeln?«
Mariah starrte ihn an. »Das macht sie, seitdem Dad ermordet wurde. Lloyd, hören Sie. Könnte es nicht sein, dass sie oben in ihrem Zimmer den Schuss gehört hat und daraufhin zur Treppe gerannt ist? Und vielleicht hat sie jemanden gesehen, der sein Gesicht verhüllt hat. Und jetzt geht ihr das ständig durch den Kopf.«
»Mariah, beruhigen Sie sich. Ich gehe davon aus, dass sie am Freitag freigelassen wird. Mal sehen, vielleicht können wir dann irgendwie zu ihr durchdringen und mehr von ihr erfahren.«
»Verstehen Sie denn nicht? Wenn jemand wirklich mit vermummtem Gesicht ins Haus gekommen ist, dann hatte er entweder einen Schlüssel, oder die Tür war nicht abgesperrt. Seitdem Mom damals nachts ausgebüxt ist, ist das Schloss so eingestellt, dass sie es von innen nicht mehr öffnen kann. Von der Polizei wissen wir, dass es keinerlei Spuren eines gewaltsamen Eindringens gab. Auch aus diesem Grund steht Mom jetzt unter Verdacht.
Betty, unsere Haushälterin, ist an dem Abend gegen halb acht gegangen, nachdem meine Eltern zu Abend gegessen haben und sie noch die Küche aufgeräumt hat – das hat sie mir jedenfalls so erzählt. Sie ist seit über zwanzig Jahren bei uns, ich traue ihr bedingungslos. Rory ist seit zwei Jahren bei uns. Sie hat Mom beim Essen Gesellschaft geleistet und sie dann ins Bett gebracht. Mom hat in der Nacht zuvor nicht gut geschlafen, sie war aufgewühlt und gleichzeitig sehr erschöpft. Deshalb, sagt Rory, ist sie sofort eingeschlafen. Rory hat sich noch vergewissert, dass die vordere Eingangstür abgeschlossen war, und dann, angeblich nur wenige Minuten nach Betty, ist auch sie gegangen.«
»Vielleicht ist es an der Zeit, Rory etwas auf den Zahn zu fühlen«, erwiderte Lloyd. »Ich habe einen guten Privatermittler an der Hand, mit dem ich immer mal wieder zusammenarbeite. Ich werde ihn anrufen. Falls es bei ihr etwas gibt, was wir wissen sollten, wird er es her-ausfinden.«
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E rneut erhielt der Sammler einen
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