Mein bis in den Tod
denn?«
»Das ist eine Überraschung.«
»Einverstanden.« Seine Miene hellte sich auf, er sprang vom Bett und rannte aus dem Zimmer.
Faith ging zum Fernseher hinüber, stellte ihn an und holte die Videotext-Tafel auf den Bildschirm. Die Nachricht stand auf der Liste mit den Schlagzeilen.
ZWEI TOTE BEI SCHÜSSEN IN NOTTING HILL .
Um Näheres zu erfahren, rief sie die Seitenzahl auf, aber dem, was sie bereits gelesen hatte, war kaum etwas hinzugefügt worden. Das Telefon klingelte; sie ging ran. Es war Ross, er sagte, er müsse noch eine Weile im Harley-Devonshire-Krankenhaus bleiben. Wenn er rechtzeitig fortkommen könne, wolle er versuchen, sie im Legoland zu treffen. Über Oliver verlor er kein einziges Wort.
Du freust dich, nicht wahr, du verdammter Mistkerl?,
dachte sie und legte auf. Als sie wieder auf den Bildschirm blickte, ging ihr ein verrückter Gedanke durch den Kopf. Spielte Ross eines seiner kranken Spielchen? Hatte er eine falsche Nachrichtenmeldung platziert, nur um sie zu quälen?
Einen Augenblick klammerte sie sich an diese schwache Hoffnung. Dann erinnerte sie sich an das, was sie soeben im Fernsehen gesehen hatte: die Szene vor Olivers Wohnung, die Zeltplanen, die Absperrbänder, die Polizei. Sie setzte sich aufs Bett, den Kopf in den Händen, während ihr die Tränen das Gesicht hinunterströmten, und versuchte zu begreifen, dass Oliver tot war und sie ihn nie mehr wiedersehen würde.
Irgendwie gelang es ihr zu duschen, sich anzuziehen, Mrs. Appleby zu bezahlen, die das Geld nur widerstrebend annahm, und Alec, der seinen Gameboy umklammerte, auf dem Rücksitz des Range Rovers anzuschnallen. Sie startete den Motor, stellte die Scheibenwischer an, schlug die Karte auf und legte sich eine Fahrtroute nach Legoland zurecht.
»Ich muss Pipi machen. Ich muss sofort Pipi machen.«
Sie legte den Gang ein und drückte das Gaspedal durch. Kies rasselte unter ihnen. »Du wirst dich gedulden müssen.«
»Du hast mir kein Mittagessen gemacht, und ich hab großen, großen Hunger.«
»Ich hatte auch kein Frühstück, also sind wir beide hungrig.« Sie spähte über die Motorhaube hinweg und fuhr langsam von der Auffahrt auf die Landstraße.
Hinter sich hörte sie ein durchdringendes Piep-Piep … Piep … blaaarpp … und sah Alecs Gesicht im Spiegel – er hatte sich in das Pokemon-Spiel vertieft, das sie in Thailand gekauft hatten.
»Du hast gesagt, es würde eine Überraschung sein, Mami. Eine schöne Überraschung.«
Am Ende der Landstraße bog sie auf die Hauptstraße. Auf der Windschutzscheibe klebte ein derart dicker Schmutzfilm, dass sie die Straße fast nicht erkennen konnte. Sie schluckte einen Kloß im Hals hinunter. »Ich fürchte, die Überraschung ist, dass du auf dein Mittagessen warten musst. Ich habe heute Morgen auch eine Überraschung erlebt, also haben wir beide einen lausigen Sonntag.«
»Warum ist Daddy nicht mitgekommen?«
»Weil er ebenfalls eine böse Überraschung erlebt hat. Also, spiel jetzt mit deinem Gameboy.«
Nachdem sie fast eine Stunde gefahren waren, sah sie die Schilder eines Schnellrestaurants und bog auf den Parkplatz. Sie betraten das Restaurant, es war rappelvoll, und der Geruch nach Pommes frites drehte ihr fast der Magen um.
Eine Kellnerin kam mit den Speisekarten. Alec nahm seine und musterte sie genau. Er wählte einen doppelten Burger mit Ananasring und Pommes, was er – wie Faith wusste – nie aufessen würde. Aber sie bestellte es trotzdem, und für sich einen Kaffee. Obwohl sie seit gestern Mittag nichts gegessen hatte, hatte sie keinen Appetit.
Alec beschäftigte sich weiter mit seinem Pokemon-Spiel. Rechts saß ein junges Pärchen, sie steckten die Köpfe zusammen und hielten Händchen. Verliebt. Links las ein Mann den
Sunday Express
. Nichts über die beiden Morde, sie waren für die Morgenzeitungen wahrscheinlich zu spät geschehen.
Oliver erfüllte ihre Gedanken. Sie versuchte sich ihn in der Wohnung vorzustellen. Jemand war mit einer Waffe eingedrungen. Ein Einbrecher? War Oliver auf ihn losgegangen und deshalb erschossen worden? Was für ein mieses Stück Dreck hat dich getötet? Irgendein Junkie, der unbedingt Geld für seinen nächsten Schuss brauchte und den es einen feuchten Kehricht scherte, dass er, um an seinen Stoff zu kommen, einen der besten Menschen in der Welt umbrachte?
»Warum weinst du, Mami?«
Als sie in Alecs runde, besorgte Augen blickte, konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen. Sie stand auf, bat die
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