Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
Vom Netzwerk:
geschlossene Tür. Niemand zu sehen.
    Er trug die Flinte und den Kanister in den Flur und schloss die Tür hinter sich. Während er ging, hörte er in der Stille das Benzin im Kanister schwappen und gluckern. Und da war noch ein Laut, direkt über ihm. Ein Knarren. Stetig, rhythmisch.
    Er hob den Kopf, sein Mund war trocken vor Hass. Dann beschleunigte er seinen Schritt. Unter der Tür am Ende des Flurs drang Licht hervor.
    Er überlegte kurz, wie die Zimmer im Haus verteilt sein könnten, und entschied, dass es sich um das Licht aus der Halle handeln musste.
    Es stimmte. Er öffnete die Tür – und stand in einer großen Halle. Freiliegende Holzbalken an der Decke, Terrakottafliesen, mehrere schöne italienische Marmorstatuetten auf Sockeln und große Ölgemälde ländlicher Szenen. Eine Holztreppe führte in den ersten Stock.
    Über ihm hörte er ein Stöhnen, so sanft wie das Seufzen einer Sommerbrise.
    Jetzt wurde das Knarren lauter und schneller.
    Dann hörte es ganz plötzlich auf. Unsicher hob er den Kopf. Er stand in der Küche einer kleinen Wohnung: In der Spüle lagen schmutzige Teller, auf dem Abtropfbrett stand eine offene Dose Spaghetti.
    Dann befand er sich wieder in der Halle, im Dunkeln. Er war nicht im Flur der Wohnung seiner Mutter, doch er hörte ihre Stimme, gedämpft, aber unmissverständlich, die aufschrie: »O ja, hör nicht auf, oh, ja, oh, ja, mach weiter!«
    Rasch, verstohlen stieg er die Treppe hinauf, dann stand er im ersten Stock und lauschte der Stimme, die durch die Tür drang.
    »Ja, oh, ja, mach das! Mach das, mach das! Ich liebe dich so sehr.«
    Ross schraubte den Deckel des Benzinkanisters ab, ging über den gesamten Flur und verspritzte gleichmäßig das Benzin. Dann stand er an der Treppe, horchte auf die Lustschreie und sah zu, wie das Benzin auf die Holzstufen floss.
    Schrei nur, du Miststück. Gleich wirst du ganz anders schreien!
    »Oh, ja, ja. Oh, ja, hör nicht auf, oh, ja, oh, ja, mach weiter!«
    Er machte die Schlafzimmertür auf, ließ den Rest aus dem Benzinkanister herausgluckern und beobachtete, wie sich das Benzin auf den Eichenbohlen und dem weißen Läufer ausbreitete, der das Bett umgab, ein riesiges, prunkvolles Holzbett mit einem geschnitzten Pfosten an jeder Ecke, wie vier Phalli.
    Das Bett einer Hure.
    Eine Nachttischlampe tauchte das Zimmer in ein heimeliges Licht, in dem zwei Gestalten schliefen. Das Miststück von Ehefrau und Dr. Oliver Cabot. Jetzt schliefen sie plötzlich nicht mehr. Er war im Schlafzimmer seiner Mutter und sah das weiße, knochige Gesäß eines nackten Mannes, das sich zwischen ihren Schenkeln auf und ab bewegte. Sah ihre nackten Beine, die seine Hüften umschlangen, den durchgedrückten Rücken, das ausgebreitete Haar auf dem Kissen, die vor Erregung roten Wangen.
    Er ließ den Kanister klappernd zu Boden fallen, und da wachte sie auf und sah ihn.
    »Oliver!«
    Der Entsetzensschrei war Musik in seinen Ohren.
    »Oliver, o Gott!«
    Auch Dr. Oliver Cabot war wach geworden und blinzelte verwirrt.
    Beide waren nackt, saßen aufrecht im Bett, mit offenem Mund, glotzten ihn ängstlich an, hielten die Bettdecke hoch und versuchten, ihre Blöße zu bedecken.
    Er hielt die Flinte fest in der Hand und nahm beide ins Visier.
    »Ross. Nein, Ross. Nein, bitte, Ross. Bitte nein, bitte nein, Ross, nein, nein, nein.«
    Er lächelte. Erstmals seit sehr langer Zeit war er innerlich ganz ruhig. »Tief einatmen«, sagte er. »Atmet tief ein, ihr beiden.«
    Der Scharlatan roch es als Erster. Seine Augen weiteten sich noch mehr.
    Dann roch es auch das Miststück.
    Ihre Stimme fiel um mehrere Oktaven, verwandelte sich in das Winseln eines waidwunden Tieres. »O nein, nein, Ross, tu’s nicht, nein, Ross, nein, nein, nein.«
    »Komm aus dem Bett, Faith, und zieh dich an.«
    »Bitte, Ross, nein.«
    »Ich sagte, steig aus dem Bett und zieh dich an, Schlampe.«
    Ohne den Blick von ihm abzuwenden, stand sie auf und hüpfte durchs Zimmer. Ross’ Blick sprang zum Quacksalber und dann wieder zu ihr. Ihre Nacktheit, das Gewabbel ihrer Brüste, ihre nackten Knie, ihre knochigen Füße – alles ekelte ihn an.
    Sie bückte sich, hob, wimmernd, ihren Slip auf, verlor das Gleichgewicht, als sie ihn anziehen wollte, und musste sich an einem Bettpfosten festhalten. Als er wieder zu dem Scharlatan hinsah, glimmte ein Funken Erinnerung in ihm auf. Irgendwie. Kürzlich. Sie waren sich begegnet.
    Fotos, die Caven gemacht hatte?
    Nein, sie hatten sich getroffen.

Weitere Kostenlose Bücher