Mein Boss, die Memme
selbstbewusst.
Dabei ist seine Schwäche auch seine Motivation, uns vor sich herzutreiben. Die Ego-Memmen holen sich die Anerkennung, wenn sie nicht von selbst kommt â von ihren Mitarbeitern und ebenso von ihren Vorgesetzten. Von den Mitarbeitern, um sich deren Loyalität zu versichern. Von den Vorgesetzten, um sich als Mitglied der richtigen Kaste zu fühlen.
Dass sie ihre Mitarbeiter mit ihrem Verhalten nicht nur benachteiligen, sondern auch kränken und beleidigen, kommt ihnen nicht in den Sinn. Oder aber es ist ihnen egal. Es gibt schlieÃlich eine Priorität: das eigene Wohlbefinden.
Um das zu erreichen, flieht die Memme die Karriereleiter hinauf. Dorthin, wo Chef-Mythen zufolge die Erlösung warten soll â in Form von Status und äuÃerlicher Macht.
Man denke an Napoleon, den kleinen Kaiser, und den Effekt, der nach ihm benannt ist. Ãbertragen auf die Unternehmenswelt: Die innerlich so kleine Memme flieht vor ihrer eigenen Schwäche nach oben.
Doch wo sie auf der Karriereleiter auch anlangt: Nie reicht der Erfolg, das Ausmaà an Anerkennung, um die tiefe innere Unsicherheit auszugleichen. Ihr Hunger ist unstillbar.
Die Angst, in den Augen der Umwelt und vor allem der eige nen Chefs nicht gut genug zu sein, sitzt dem Ego-Shooter gnadenlos im Nacken. Dagegen kämpft er an und boxt nach allen Seiten, um mit dem Kopf über Wasser zu bleiben.
Für AuÃenstehende schwer zu verstehen, denn: Er oder sie ist doch erfolgreich, scheint immer zu den Gewinnern zu gehören. Das würde die Memme auch jederzeit stolz bejahen. Um zugleich im tiefsten Inneren die Furcht aufsteigen zu spüren, dass morgen alles wieder vorbei sein könnte. Aber Selbstzweifel offen zugeben? Niemals.
Ihr Weltbild kennt nur die beiden Pole: Oben sein oder gar nichts sein â dazwischen gibt es nichts. Wenn sie nicht jederzeit das Gefühl hat, über ihren Mitarbeitern zu stehen, dann bedeutet das für diese Art von Memme im Umkehrschluss: Ich bin ein Verlierer.
In Momenten der Schwäche, wenn Härte sie nicht weiterbringt, scheinen sie sich ihren Mitarbeitern zu offenbaren. Dann werden diese Führungskräfte plötzlich nahbar. Eine gezielte Illusion, aufgebaut aus vermeintlicher Notwehr heraus, wenn der eigene Status bedroht scheint. Sobald sie wieder in Kampfstellung sind, und das heiÃt unangefochten oben, kommt ihr wahres Gesicht wieder zum Vorschein. Kein Respekt, keine Fairness. Für ihre Mitarbeiter eine Beziehungshölle.
Nähe und Distanz â für den neurotischen Maskenmann sind es nur zwei Seiten eines diabolischen Schauspiels als Chef.
Einfühlsame Schauspieler
Sollte bei Ihnen nun der Eindruck entstanden sein, solche Führungskräfte können unmöglich über Einfühlungsvermögen verfügen, denn sonst müssten sie ja schon allein deswegen anders handeln, dann ist das ein Irrtum. Leider handelt es sich um Menschen, die sehr schnell erkennen, wie ihr Gegenüber im Inneren tickt. Das lernt ein wahrer Krieger zuerst. So wie die Chefin im folgenden Beispiel, das mir ein Bank-Consultant aus eigener leidvoller Erfahrung erzählte:
Wie mir die neue Chefin eine Falle stellte
»Ich arbeitete seit etwa drei Jahren als Consultant für eine groÃe Bank, als eine neue Vorgesetzte unsere Abteilung übernahm. Alles halb so schlimm, dachte ich mir zuerst. Die Neue suchte sofort das Gespräch und lud mich zu einem gemeinsamen Mittagessen ein. Sie zeigte sich sehr offen und interessiert. Sie wolle gemeinsam mit uns neue Wege gehen, erklärte sie mir in mitreiÃendem Ton. Ich kam mir vor wie bei einem Motivationscoaching. Und ich fiel auf die Masche herein.
Offen berichtete ich ihr von mir und von meiner Arbeit. Ein Fehler. Nachdem sie ihr neues Terrain ausgekundschaftet hatte, begann sie unverzüglich mit eisernem Besen zu kehren.
Bei mir fing es mit der Ankündigung an, einige Dinge an meinem Produkt zu ändern. Auf meine Nachfrage hin sagte sie nicht viel. Mit der Offenheit des ersten Gesprächs war es plötzlich vorbei. Sie ging auf Distanz und legte eine unterkühlte Attitüde auf. Als hätten wir das Gespräch zu Beginn der Zusammenarbeit nie geführt. Damit gab ich mich nicht zufrieden und hakte nach. Zu spät erkannte ich, dass es ihr eigentlich gar nicht um die Sache an sich ging. Sie wollte mich provozieren. Sie hatte aus den ersten Gesprächen erfahren, dass ich ein Typ war, der
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