Mein Boss, die Memme
sind, nämlich einem Kuschel-Junkie, dafür gibt es ebenfalls untrügliche Anzeichen: wenn Ihr Chef Sie und Ihre Kollegen fest umklammert hält wie eine Löwenmutter ihre Jungen. Wenn er jede Dissonanz im Team zu vermeiden sucht und auch in Krisensituationen unfähig ist, klare Worte zu finden. Wenn er von Ihnen ebenfalls bedingungslos geliebt werden will und auf Kritik hin sofort einschnappt wie ein Schweizer Taschenmesser.
Mein Mitgefühl haben Sie insbesondere dann, wenn Sie ÂIhren Chef in der Beschreibung des Ego-Shooters wiederÂerkannt haben. Er ist die gefährlichste aller Memmen, ein Macho, wie er im Buche steht. Zunächst mag er Gutwetter machen, doch schon bei der ersten Gelegenheit wird die Falle zuschnappen. Dieser Boss wird Ihnen das Blut aussaugen, Sie gnadenlos ausbeuten und Ihren Einsatz mit keiner Silbe belohnen. Die Lorbeeren für Ihre Leistung wird er kassieren, und Ihren Anteil am Erfolg notfalls leugnen. Und dann kommt es richtig dicke: Im schlimmsten Fall werden Sie und Ihre Kollegen von einem Tag auf den nächsten von einem fiesen Heckenschützen attackiert, der mit den miesesten Tricks potenzielle Gegner aus dem Weg räumt. Er wird Sie genau da treffen, wo Sie am verletzlichsten sind, und er wird auf dem Weg nach oben keinen Kollateralschaden scheuen.
Mit welcher Spezies Sie es auch zu tun haben â eines haben alle Memmen-Chefs gemeinsam: ihre Angst, die jede Beziehung zum Desaster werden lässt. Ihre Angst, Mitarbeitern gegenüber ehrlich und wahrhaftig aufzutreten.
Und doch gibt es Hoffnung auf Besserung auch für die gröÃten Memmen und ihre Teams.
Kuschel-Junkies können ihre Zaghaftigkeit und Harmoniesucht überwinden und eine Balance zwischen Nähe und DisÂtanz finden. Sie können lernen, sich Konflikten zu stellen, sie auszutragen und zu einem guten Ende zu führen.
Auch Sozialallergiker können ihre Menschenscheu kurieren und lernen, auf ihre Mitarbeiter besser zuzugehen. Sie können akzeptieren, dass sie als Menschen mit Fehlern wahrgenommen werden dürfen und sollten. Dass sie ihre Emotionen nicht verstecken müssen, wenn sie authentischer und glaubhafter auftreten wollen, um irgendwann den stillen Respekt und das Vertrauen ihrer Mitarbeiter zu genieÃen.
Der Weg von der Memme zum selbstbewussten, empathischen und nahbaren Chef steht allen offen â selbst den Ego-Shootern.
Für uns Mitarbeiter gilt: Seid selbst keine Memmen! Gegen den Ego-Shooter hilft, wenn man ihn endlich durchschaut hat, oft nur noch die Notbremse. Und das bedeutet, je nachdem, wie Ihr Team gestrickt ist, entweder Ausstieg oder offene Konfrontation. Den Kampf bei Tage mit fairen Mitteln, den scheut die Macho-Memme nämlich â weil sie ständig fürchtet, ihre perfide Strategie im Kampf um die Macht könnte auffliegen.
Zu einem Auskommen mit den Jammer-Memmen hingegen verhelfen oft die simplen Regeln des menschlichen Miteinanders. Ein Vorschuss an Vertrauen holt den einen oder anderen Sozialallergiker meist schon aus seinem Versteck. Und angesichts eines Kuschel-Junkies hilft selbstbewusste Abgrenzung â auch auf das Risiko eines zeitweisen Liebesentzugs hin. Den hält er meist nämlich ohnehin nicht lange durch. Immer wieder können wir ihn einfühlsam, aber bestimmt darauf hinweisen, dass es Zeit ist einzugreifen, eine Entscheidung zu treffen und nicht alles persönlich zu nehmen. Geben Sie den Memmen eine zweite Chance.
Doch auch diese Warnung sei ausgesprochen: Gerade solchen Chefs, die eine besonders gute und erfolgreiche Beziehung zu ihren Mitarbeitern pflegen, werden oft genug Steine in den Weg gelegt â nämlich von den anderen, den Memmen-Chefs. Immer dann, wenn der eigene Führungsstil im Widerspruch zur vorherrschenden KulÂtur eines Unternehmens steht.
Wie wir im Folgenden sehen werden, sind es oft die Unternehmen selbst, die aus Chefs und Mitarbeitern erst Memmen machen. Mit einem System, das nicht auf eine freie, vertrauensvolle Beziehung von Mitarbeitern und Chefs setzt, sondern auf Kontrolle und Misstrauen. Teil Zwei führt uns mitten hinein in die Untiefen des Memmen-Biotops.
TEIL ZWEI
Fremdgesteuert:
Mein Boss und das System
Mein Boss und ich: So persönlich dieses 1:1-Verhältnis auch ist, es geht weit über eine Zweierbeziehung hinaus.
Unsere gemeinsame Welt mag auf den ersten Blick überschaubar sein und nur von seinem Schreibtisch über die
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