Mein Boss, die Memme
unterdrücken und für seine Zwecke in der Chef-Welt zu instrumentalisieren.
Unser Boss, er steht zwischen uns und den Führungsetagen über sich. Für das, was von oben kommt, kann er ein Verstärker sein. Oder ein Dämpfer und Prellbock.
Er kann den Druck, dem er selbst von seinem Chef ausgesetzt ist, als Kuschel-Junkie weinerlich auf seine Mitarbeiter übertragen, als waschechter Ego-Shooter sogar noch weiter forcieren, oder als Sozialallergiker erst mal so tun, als wäre nichts gewesen. Aber er kann auch Druck rausnehmen, seine Arme über uns halten, auf die Gefahr hin, dafür selbst bestraft zu werden. Ein echter Leader würde das tun.
Auch wenn unser Chef dem Geist des Unternehmens und dessen Führung so wenig entfliehen kann wie seinem eigenen Vorgesetzten: Es bleibt letztlich seine Entscheidung, wie er mit den Vorgaben von oben umgeht.
Memmen werden nicht geboren. Sie werden dazu gemacht â wenn sie es mit sich machen lassen. Das gilt für unseren Ober-Boss ganz oben im Vorstand, der sich von den dunklen Kräften des Marktes, die unablässig auf ihn einstürmen, und von der Verlockung der Boni ans Halsband nehmen lässt, genauso wie für unseren Abteilungsleiter, der sich zum Erfüllungsgehilfen degradieren lässt.
Unsere Bosse können sich dieser dunklen Macht unterwerfen, die gnadenlos versucht, ihre Interessen durchzusetzen und jeden im Unternehmen nach ihrem Abbild zu formen. Sie können sich zur Memme machen lassen.
Oder die Chance ergreifen und zu Helden werden.
Als Mitarbeiter sollten wir alles dafür tun, dass sie sich für letzteres entscheiden. Bevor uns die dunkle Seite der Macht selbst zu Memmen erzieht.
1. Im Kontrollwahn:
Sklaven des Misstrauens
Jeder von uns kennt so einen Chef. Einen, der uns dauernd auf der Pelle sitzt, um nach dem Rechten zu schauen. Einen dieser kleinen Kontrollfreaks, die an unseren Tischen patrouillieren. Pedanten, für die ein einziges falsch gesetztes Komma in einer Präsentation den Weltuntergang bedeutet. Und die darauf achten, dass wir auf ihre Art und nicht anders unsere Arbeit verrichten â selbst, wenn wir auf unseren eigenen Wegen sehr erfolgreich sind.
Es sind Kontrollzwerge wie der nachfolgend beschriebene Abteilungsleiter in einem Pharma-Unternehmen, die uns oft genug die Laune verderben können:
Der Pedant
»Unser Chef sitzt den ganzen Tag in seinem Büro. MitarÂbeiter, die neu ins Team kommen, fragen mich manchmal ehrfürchtig, was er denn darin so Wichtiges mache, der Chef? Die Antwort ist einfach: Er führt Listen. Ãber alles, was sich überwachen und messen lässt. Wer wann zur Arbeit kommt. Wer wie lange für ein Projekt braucht. Wie hoch der Bleistiftverbrauch pro Stunde ist. Nein, im Ernst. Sein Verhalten ist fast manisch. Und wenn er irgendeine Abweichung entdeckt, steht er sofort auf der Matte des Delinquenten.
Als ich letztens aus der Mittagspause zurückkam, klingelte das Telefon auf meinem Schreibtisch. An der Nummer sah ich, dass es mein Chef war. Das einzige, was er mir zu sagen hatte, war die Uhrzeit. Auf die Sekunde genau. Ich brauchte einen Moment bis ich verstand, worum es ging, was er mir sagen wollte: Ich war dreieinhalb Minuten zu spät zurück aus der Pause.
Auf so einen Mist verschwendet der Mann seine Energie. Er könnte mir fast leidtun, wenn er nicht so unglaublich nerven würde. «
Sophie M., Marketingassistentin in
einem Pharmaunternehmen
Eine am Menschen orientierte Führungsphilosophie findet sich heute in jedem Unternehmensleitbild, in prächtigen Imagebroschüren und möglicherweise auch unter dem MeÂnüpunkt »Unsere Werte« auf der Website Ihres Arbeitgebers. Sie steht in den unzähligen Management-Ratgebern, die man in den Regalen der Buchläden zu Themen wie »mündige Mitarbeiter« oder »richtig motivieren« finden kann. Sie wird gepredigt von gut bezahlten Management-Gurus und Coaches. Wir hören von ihr in Interviews und Festreden von Vorständen, wenn das »gegenseitige Vertrauen« und »Mitarbeiter als wichtigster Unternehmenswert« beschworen werden.
Eigentlich dürfte es also Kontrollzwerge wie den oben ge schilderten gar nicht mehr geben. Natürlich könnte man einwenden, so einer kann immer reinrutschen, shit happens , das muss ja nicht gleich am Unternehmen liegen.
Und gehen nicht gerade die modernen Internetfirmen völlig andere Wege, mit ihren
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