Mein Boss, die Memme
Management spielen meist eine Doppelrolle: Sie sind Chef und zugleich Untergebener. Das, was ein einfacher Angestellter von seinem Chef erwartet, das erwartet dieser Chef wiederum auch von seinem Vorgesetzten: Respekt, Vertrauen, Wertschätzung. Wenn aber der Oberste in der Befehlskette dazu nicht bereit ist, dann sind die Folgen noch auf den untersten Hierarchiestufen spürbar. Der studentische Praktikant, der mir das folgende Beispiel erzählte, hat das noch vor seinem eigentlichen Eintritt ins Berufsleben spüren können:
Hochrote Köpfe
»Als ich ein Praktikum in einem groÃen deutschen Unterneh men, einem Hersteller im Bereich Kraftfahrzeugtechnik, anfing, hatte ich keine Vorstellung davon, in welche zwischenmenschÂlichen Turbulenzen ich hineingeraten würde.
Es gab zwei Teams, zwischen denen ich hin und her wechselte und die mir vorkamen wie Himmel und Hölle. Die Hölle wurde von einer Frau geleitet, die den Eindruck machte, sie würde jeden Moment kollabieren, so hektisch und verunsichert war sie. Wenn sie mal kurz auf den Fluren in Erscheinung trat und einer ihrer Mitarbeiter es wagte, die Gehetzte anzusprechen, erhielt er eine Abfuhr, die sich nicht mal mehr als unhöflich beschreiben lässt, sondern nur noch als unverschämt. Ich hielt meinen Mund, wenn ich so etwas sah, obwohl es mir schwer fiel.
Als ich zum ersten Mal beim Treffen der gesamten Abteilung dabei sein durfte, erahnte ich, was die Teamleiterin zur Getriebenen machte.
Der Abteilungsleiter betrat den Konferenzraum mit hochrotem Kopf, knallte die Tür hinter sich zu, klopfte laut auf den Tisch und forderte im Befehlston die Teamleiterin auf, ihre Zahlen vorzulegen. Kaum hatte sie begonnen, unterbrach er sie auch schon wieder. Sie wollte sich noch einmal zu Wort melden, doch er winkte nur mit der Hand ab. Völlig entnervt, mit Tränen in den Augen, sprang sie auf, nahm ihre Sachen und verlieà den Raum. Das war wohl schon öfter vorgekommen, wie ich später hörte. Wahnsinn, dachte ich mir nur, was für ein schrecklicher Typ.
Einige Tage später sah ich ihn in seinem Büro, wie er wiederum von seinem Vorgesetzten, dem Geschäftsführer, die Leviten gelesen bekam. Als der Ober-Chef aus dem Zimmer stürmte und im Eiltempo, ohne nach links und rechts zu schauen, durch die Gänge raste wie ein angeschossener Eber, war die Ãhnlichkeit zwischen beiden Männern unübersehbar: ihre knallroten Gesichter, dieser gehetzte Blick.
Mich wunderte nichts mehr. AuÃer der Tatsache, dass die andere Teamleiterin, die den »Himmel« verantwortete, in dieser Atmosphäre überhaupt noch die Nerven behielt. Kaum wechselte ich in ihren Machtbereich, bemerkte ich den Unterschied in der Atmosphäre. Alle waren freundlich, locker, entspannt.
Sie blieb souverän, selbst als der Abteilungschef auf ihre Kosten seinen eigenen Kopf zu retten versuchte. Der Geschäftsführer hatte ihn beauftragt, einige Marktdaten auszuwerten, aber er hatte die Aufgabe, die einige Wochen in Anspruch nahm, glattweg vergessen. In der Not bat er die entspannte Teamleiterin, innerhalb einer Stunde ein kurzes Papier mit ein paar Zahlen anzufertigen â ohne ihr die Situation zu erklären. Sie tat wie befohlen. Als der Geschäftsführer den Abteilungsleiter bat, seine Ergebnisse zu präsentieren, verwies dieser auf meine himmlische Teamleiterin. Für einen Moment fiel ihr das Gesicht herunter. Natürlich reichte das kurze Papier nicht.
Der Abteilungsleiter hatte meine Chefin gelinkt. Das sagte sie ihm danach ins Gesicht.
Wie die Sache ausging? Mit einem Happy-End: Drei Monate später war sie die Chefin der Abteilung. «
Stefan B., Student
Es ist eine unglaubliche Herausforderung: Man selbst soll zu seinen Mitarbeitern gerecht, aufmerksam, freundlich und motivierend sein und wird von seinem eigenen Vorgesetzten behandelt wie der letzte Dreck. Die Unzufriedenheit, sie ist im mittleren Management besonders ausgeprägt. In Deutsch Âland ist sie leider stärker verbreitet als in anderen Ländern, wie das Marktforschungsunternehmen International Communications im Auftrag der Unternehmensberatung Accenture herausfand. 51 Prozent der Manager seien unzufrieden, schrieb die Wirtschaftswoche 2006 im Artikel »Der stille Frust der Halbleiter« unter Berufung auf die Ergebnisse dieser Studie. 62 Prozent waren der Ansicht, ihre Leistung werde nicht angemessen gewürdigt. Die
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