Mein Boss, die Memme
unser Boss den kleinsten Dienstwagen von allen Abteilungsleitern fährt.
Als letztens einige Liefertermine nicht eingehalten werden konnten, wofür wir aber nicht allein die Schuld trugen, erschien der bekanntermaÃen groÃkotzige Leiter einer anderen Abteilung bei uns auf der Bildfläche. Der stürmte einfach in das Büro des verantwortlichen Kollegen und machte ihn vor aller Augen rund.
Auch wenn er mit seiner Schelte nicht ganz Unrecht hatte: sich den Mitarbeiter eines anderen Teams vorzuknöpfen, das geht gar nicht. Als unser Chef dazu kam, erwartete ich, dass er eingreifen würde. Aber was machte der? Erst blieb er mucksmäuschenstill, dann versuchte er nur zaghaft, den Choleriker zu beschwichtigen. Durch die Hilflosigkeit unseres Chefs fühlte es sich an, als würde unser ganzes Team schutzlos an den Pranger gestellt. «
Werner O., Programmierer
Das Bild, dass sich die Führungsetage und das ganze Unternehmen von einem Team und den meisten seiner Mitarbeiter macht, hängt mit davon ab, wie gut und vor allem wie selbstbewusst ein Chef sein Anliegen gegenüber den anderen Chefs verkauft.
Führungskräfte haben dabei unter anderem die folgenden Möglichkeiten:
Entweder machen sie ihren Job wie alle anderen. Ãbernehmen also den Führungsstil und das Geschäftsgebaren der übrigen Chefs. Selbst, wenn es zu Lasten der Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter geht. Der Vorteil: Als Führungskraft ist man unter den vielen angepassten Chef-Kollegen bestens integriert und genieÃt den Schutz des Korpsgeistes.
Oder sie gehen mit ihren Mitarbeiter ihren eigenen, in meinen Augen vernünftigeren und erfolgreicheren Weg. Das kommt bei den Chef-Kollegen natürlich als Herausforderung an. Zudem birgt es das Risiko, zum AuÃenseiter und damit zum Angriffsziel anderer Führungskräfte zu werden. Aber dafür können sie auch erfolgreicher und zufriedener werden als alle anderen Chefs im Memmen-Biotop.
Ob memmenhafter Mitläufer oder freigeistiger Held â welchen Weg eine Führungskraft auch wählt: Letztlich entscheidet sich das Schicksal eines Chefs in der Beziehung zu seinem eigenen Vorgesetzten.
Und die Memmen-Chefs haben so einige Tricks auf Lager, um diese Beziehung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Zwischen allen Fronten
Die Vorstellung, dass unser Chef nicht sagt, was er denkt, sondern lediglich Ãbermittler fremder Ansichten sein könnte, befremdet uns. SchlieÃlich hat er eine wichtige Funktion innerhalb des Teams: Bei unserer Arbeit orientieren wir uns in vielen Fragen an unserem direkten Vorgesetzten. Deshalb wollen wir, dass dieser Fixpunkt unserer Arbeitswelt keine von Wind und Wellengang umhergeschleuderte Boje ist, bei deren Anblick einem schwindelig werden kann. Die nachfolgend berichtende Angestellte eines Unternehmens fragt sich zu Recht, wen sie da eigentlich vor sich hat:
Wer ist unser Chef?
»Wir sind ein kleines, seit etwa fünf Jahren existierendes Team. In dem mittelständischen Beratungsunternehmen genieÃen wir ein hohes Ansehen. Weil unser eigenständiger Geschäftsbereich mit neuen Methoden und Produkten lukrative Kunden gewinnt, die dem Unternehmen bisher entgangen sind.
Die Geschäftsidee dafür hatte unser jetziger Chef, der das Team gemeinsam mit dem Inhaber unserer Firma aufgebaut hat. Auch wenn unser Geschäftsfeld ein Steckenpferd des Inhabers ist, hält dieser sich inzwischen aus vielen Projekten heraus. Nicht zuletzt, weil unser Teamleiter seit zwei Jahren als Geschäftsführer fungiert.
Offiziell scheinen die Zuständigkeiten also klar geordnet. Auf den zweiten Blick entpuppen sie sich aber als ziemliches Durcheinander. Man spürt es an vielen kleinen Dingen im Alltag, dass unser Teamleiter nicht die Selbstständigkeit besitzt, die man von einem Geschäftsführer erwartet. Leider liegt das vor allem an ihm selbst.
So achtet er etwa fast panisch darauf, dass jeder im Team pünktlich im Büro ist. Zuerst dachten wir, es wäre sein eigenes Anliegen. Dann bemerkten wir, wie furchtsam er immer um die Ecke schaut, ob der Inhaber zufällig morgens vorbeigeht.
Bei Personalgesprächen behandelt er das Thema Gehalt eher zögerlich. Als müsste er Zeit gewinnen. Und so ist es auch. Wie wir erfahren haben, holt er für eine Gehaltserhöhung, und sei sie noch so klein, erst die Zustimmung des Inhabers ein.
Inhaltlich ist er ein absoluter Experte. Auch als Mensch
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