Mein Boss, die Memme
Frustwerte für die anderen Länder wie USA , Frankreich und GroÃbritannien lagen dagegen deutlich unter 50 Prozent.
Nun, die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der selbst schlecht geführt und ständig demotiviert wird, andere ebenso schlecht führt und demotiviert, dürfte nicht allzu gering ausfallen.
Viele mittlere Manager stehen im Schatten des Top-Managements. Sie werden bei der strategischen Planung nicht eingebunden, erhalten wenig Verantwortung und noch weniger Befugnisse. Aber selbst dort, wo das anders ist, scheint nicht jeder Chef bereit zu sein, seine Chancen zu nutzen. Mit den Augen einer Memme sehen Freiräume nämlich schnell nach übermäÃiger Verantwortung aus, die vor allem Risiken birgt.
Freiräume? Nein danke!
Bei der Ãbernahme eines Geschäftsbereichs vor einigen Jahren stand ich vor einer Herausforderung, die ich so nicht erwartet hatte: Wie bringe ich die mir unterstellten Teamleiter dazu, von ihrer Möglichkeit, selbstständig zu handeln, Gebrauch zu machen? Keine leichte Aufgabe.
Feier, wenn du willst
Als ich den Geschäftskundenbereich des groÃen ComputerÂherstellers übernahm, hatte ich mit einem Schlag 400 Mitarbeiter unter mir. Diese waren bisher einem strikten Führungsstil aus Befehl und Gehorsam unterworfen gewesen. Das wollte ich ändern. Mit Hilfe meines Dutzends Teamleiter. Ohne sie war keine Veränderung möglich. Sie musste ich zuerst überzeugen. Sie sollten dazu übergehen, ihren Teams mehr Freiheiten zu gewähren, ihre Mitarbeiter selbstständiger arbeiten zu lassen. Konsequenterweise sollten selbstverständlich auch meine Teamleiter selbstständiger Entscheidungen treffen können als unter meinem Vorgänger. Ich nahm an, dass alle den neuen Kurs bejubeln würden. Aber da irrte ich mich gewaltig.
Ein harter Kern von Teamleitern verweigerte sich in jeder Hinsicht.
Die neuen Freiheiten ihrer Mitarbeiter empfanden sie als Bedrohung, sie fühlten ihren Status als Chef untergraben. Mit diesen Bedenken hatte ich noch am ehesten gerechnet. Mehr erstaunte mich das zweite Problem dieser Teamleiter. Sie kamen auch mit der neuen Eigenständigkeit, die ich ihnen selbst gewährte, nicht zurecht.
Sei es, dass sie bei jedem freizugebenden Budget mein Go einforderten, die Einstellung jedes Praktikanten mit mir absprechen wollten. Ich hatte nichts dagegen, wenn ein Teamleiter meinen Rat einholen wollte. Aber dies war etwas anderes. Sie trauten sich nicht, Verantwortung zu übernehmen. Ich konnte die Angst in ihren Augen sehen: Was, wenn etwas schief geht?
Zu meiner Vorstellung von Führung gehört auch, dass ein Chef mit seinen Mitarbeitern gemeinsam Erfolge feiert. Das können sie meiner Ansicht nach immer dann tun, wenn sie es für richtig halten, also nicht nur an Weihnachten. Dafür hatten sie meinen Segen. Würde das Controlling die Rechnungen beanstanden, würde ich mich einschalten. Aber auch da zögerten einige meiner Führungskräfte.
Als ich nachhakte, wurde mir klar, warum: Die zuvor herrschende Misstrauenskultur hatte tiefe Spuren bei ihnen hinterlassen. Sie waren mental noch gefangen im alten System. Meinen Neuerungen und damit auch mir trauten sie nicht. Sie fürchteten, dass letztlich die Geschäftsleitung mich und damit auch sie selbst zur Rechenschaft ziehen könnte. Nach etlichen Versuchen, diese Angstkultur zu verändern, hatte ich keine andere Wahl: Ich trennte mich von den Teamleitern, die sich zum Schaden ihrer eigenen Mitarbeiter der neuen Freiheit verweigerten.
Freiheit braucht Mut. Nicht jede Führungskraft bringt die persönliche Stärke mit, die eigene Chef-Rolle zum Wohle der eigenen Mitarbeiter auszufüllen. Aus Angst, für Fehler bestraft zu werden â für die eigenen und die der Mitarbeiter.
Das Budget für das Projekt eines Mitarbeiters ohne Rücksprache mit dem Ober-Boss freigeben, beim Gewinn eines neuen Kunden kurzfristig eine Team-Feier schmeiÃen â ein eigenständig handelnder Chef kann ein Team gewaltig motivieren und nach vorn bringen.
In dem geschilderten Fall mussten die Teamleiter die von mir gewährte Freiheit nicht erst erkämpfen. Ich forderte sie vielmehr dazu auf, sie im Sinne ihrer Mitarbeiter zu nutzen. Doch ihnen fehlte der Mut dazu. Die Verantwortung, die mit der Freiheit einhergeht, war ihnen suspekt. Lieber wählten sie maximale Absicherung mit minimalen Risiken für sich
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