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Mein digitales Ich

Mein digitales Ich

Titel: Mein digitales Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ariane Christian u Greiner Grasse
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Bewusstseinswandel sorgen – glauben zumindest die Initiatoren.
    16:00 Uhr. John hat sich mit einer Freundin für einen Kaffee verabredet. Er und Julia kennen sich bereits seit der Uni und haben sich schon ein paar Monate lang nicht mehr gesehen. Sie verfolgen jedoch regelmäßig online, was der andere tut. John sucht noch schnell einen geeigneten Treffpunkt, während sie bereits auf dem Weg zu ihm ist. Da beide online befreundet sind, teilen sie ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort miteinander, John schaut auf den Bildschirm seines Telefons, über dem sich eine virtuelle, dreidimensionale Karte aufklappt. Im Zusammenspiel zwischen dem in der Brille integrierten Bildschirm und der Oberfläche seines Telefons wirkt die Projektion hochrealistisch. Am unteren Bildrand erscheint der Hinweis, dass Julia in 35 Minuten bei ihm sein wird. Gleichzeitig schlägt ihm das Programm drei Cafés in der Nähe vor, die eine optimale Schnittmenge aus seinen und Julias Café- und Ambiente-Vorlieben bieten. Er wählt eines davon aus und schickt ihr die Adresse. »Super, ich freue mich! Bis gleich!«, antwortet sie. Das Navigationssystem in ihrem Auto hat die Adresse des Cafés bereits automatisch als neues Ziel eingegeben.
    Nachdem beide im Café angekommen sind und sie bereits eine gute Viertelstunde zusammen am Tisch sitzen, verflachtdas Gespräch zwischen ihnen etwas. Die Analyse der Mikrofondaten in Johns Telefon bestätigt eine sinkende Gesprächsdichte, es gibt immer mehr Pausen in der Unterhaltung, ebenso nimmt die Anzahl der Füllwörter und Phrasen zu, das erkennt die Spracherkennungs-Software. Johns »Smart Glass« erfasst zudem eine erhöhte Augenbewegung bei beiden: Ihre Blicke gehen immer häufiger zum Nachbartisch, zum Fenster gegenüber oder leicht neben den Kopf des jeweils anderen. Die gegenseitige Aufmerksamkeit und das Interesse füreinander sinkt. Offensichtlich. Gefüttert mit diesen Informationen, nimmt nun eine Dating-App auf Johns Telefon im Hintergrund automatisch die Arbeit auf. Das Programm scannt Julias aktuelle Interessen, wie zum Beispiel gerade gelesene Bücher oder aktuelle Kinofilme, die ihr gefallen haben, und vergleicht sie mit Johns Interessen und Erlebnissen, die ebenfalls in einer Datenbank vorliegen. All das geschieht im Bruchteil einer Sekunde. Und bevor echte Zweifel in dem Gespräch aufkommen, landet eine Liste von Schlagworten auf dem Display von Johns Brille. Sobald ein Thema angesprochen wird, verschwindet es aus der Liste. Abgehakt. Weiter. Nächster Stichpunkt. Die Aufmerksamkeit steigt wieder, der Gesprächsflow ist zurück.
    Pause.
    Sie haben es sicherlich schon bemerkt, es handelt sich um eine fiktive Geschichte, die wir hier erzählen. Obwohl: So fiktiv oder unrealistisch sind die beschriebenen Ereignisse gar nicht, denn technisch sind alle in der Erzählung geschilderten Ereignisse bereits heute umsetzbar – zumindest im Ansatz. Wie Sie wissen oder bei der Lektüre dieses Buches sehen werden, existieren einige Technologien bereits, andere liegen zumindest als Konzept vor. Fakt ist: Die digitale Vernetzung erobert nicht nur unsere Umwelt, sie schließt uns Menschen längst mit ein, samt Körper und Geist. Wir werden immer mehr zu einem festen Bestandteil des von uns erschaffenen vernetzten Universums. Wird es uns dabei helfen, die Frage aller Fragen zu beantworten, die die Menschheit schon seit Jahrtausenden beschäftigt: Wer bin ich? Die Suche nach dem Selbst hat ihre Ursprünge in der Vergangenheit und könnte mit Hilfe von Technologie in naher Zukunft endlich befriedigende Antworten generieren. Das Zeitalter der digitalen Selbstvermessung und der individuellen, technisch gestützten Optimierung des Ich hat begonnen.

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    http://vimeo.com/46304267
    Der Kurzfilm Sight von Eran Mayraz und Daniel Lazo zeigt eine technisch faszinierende, aber sozial dystopische Zukunftsvision der allseits vernetzten Gesellschaft.

2 . Die digitale Suche nach dem Ich: Einführung in die Selbstvermessung
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Wer bin ich?
    Das Suchen nach der eigenen Identität ist vielleicht die prägnanteste aller menschlichen Eigenschaften. Wir wollen uns selbst verstehen, ein Bewusstsein für das eigene So-Sein entwickeln, geistig wie körperlich. Ein probates Mittel zur Bildung eines Selbstbewusstseins, also eines Bewusstseins über das Verhältnis zwischen Ich und Welt, ist von alters her die Selbstreflexion. »Gnothi seauton« – »Erkenne dich selbst!« So lautet die berühmte, dem Gott Apollon zugeschriebene

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