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Mein erfundenes Land

Mein erfundenes Land

Titel: Mein erfundenes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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erklärt worden, und in Chile ist nichts peinlicher als der Versuch, für adlig gehalten zu werden. Während meiner Zeit bei der Welternährungsorganisation FAO hatte ich einen echten italienischen Conde zum Vorgesetzten, der sich neue Visitenkarten zulegen mußte, weil seine Adelsinsignien allgemeine Heiterkeit hervorriefen.
    Früher mußten die Anführer eines Indianerstammes ihreTapferkeit und Stärke durch übermenschliche Taten unter Beweis stellen. Die Kandidaten wuchteten sich einen dieser Baumstämme aus den urwüchsigen Wäldern im Süden auf die Schultern, und wer dem Gewicht am längsten trotzte, wurde zum toqui . Damit nicht genug, hielten sie ohne Verschnaufpause eine improvisierte Rede, denn außer durch ihr physisches Vermögen mußten sie auch durch Wohlklang und Gehalt ihrer Worte überzeugen. Vielleicht stammt daher unsere Schwäche für Poesie… Die Autorität des Siegers blieb bis zum nächsten Turnier unangefochten. Was sich die findigen spanischen Eroberer auch an grausigen Foltermethoden einfallen ließen, sie vermochten die Moral dieser dunklen Helden nicht zu brechen, die ohne einen Laut der Klage starben, auf Lanzen gepfählt, von Pferden gevierteilt oder langsam verbrannt über glühenden Kohlen. Unsere Indianer gehörten nicht zu einer dieser strahlenden Hochkulturen wie die Azteken, Maya oder Inka; sie waren finster, roh, zornmütig und wenig zahlreich, aber so beherzt, daß sie dreihundert Jahre hindurch Krieg führten, erst gegen die spanischen Siedler und später gegen die Republik. 1880 wurden sie befriedet, und über ein Jahrhundert war es still um sie, aber nun ziehen die Mapuche – die »Menschen der Erde« – erneut in den Kampf, um das bißchen Land zu verteidigen, das ihnen geblieben ist und das nun durch den Bau eines Staudamms am Río Bío Bío bedroht wird.
    Kunst und Kultur unserer Indianer sind so schlicht wie alles, was unser Land hervorbringt. Sie färben ihre Stoffe in Erdfarben: braun, schwarz, grau, weiß; ihre Musikinstrumente klingen düster wie Walgesänge; ihre Tänze sind schwerfällig, monoton und so beharrlich, daß sie auf Dauer Regen bringen; ihr Kunsthandwerk ist schön, jedoch nicht so farbenprächtig und vielgestaltig wie das in Mexiko, Peru oder Guatemala.
    Völlig verschieden von den Mapuche sind die Aymara – die »Söhne der Sonne« –, die auch in Bolivien siedeln undsich nicht um den Grenzverlauf scheren, weil dieser Landstrich von jeher ihnen gehört hat. Sie sind leutselig, haben ihre Lebensgewohnheiten, ihre Sprache und ihren Glauben zwar beibehalten, sich aber gleichwohl, vor allem was den Handel angeht, in die Kultur der Weißen eingefügt. Darin unterscheiden sie sich auch von einigen Quechua-Gruppen in den abgelegensten Gebieten des peruanischen Hochlands, die wie zur Kolonialzeit in der Regierung den Feind sehen; weder der Unabhängigkeitskrieg noch die Gründung der Republik Peru hat an ihrem Leben etwas geändert.
    Die unglücklichen Indianer von Feuerland sind längst durch Kugeln und Seuchen ausgerottet; von ihren Stämmen sind nur eine Handvoll Alacalufes geblieben. Die Kopfgeldjäger bekamen eine Prämie für jedes Paar Ohren, das sie als Beweis für einen ermordeten Indianer brachten; so entvölkerten die Siedler die Region. Deren Ureinwohner waren Giganten, die fast nackt in einem unerbittlich frostigen Landstrich lebten, wo sich nur Robben in ihrer Haut wohl fühlen können.
    Nach Chile wurden keine Afrikaner verschleppt, die uns etwas Rhythmus und Farbe gebracht hätten; auch kamen nicht wie nach Argentinien in großer Zahl Einwanderer aus Italien, die uns extrovertierter, eitler und lebenslustiger hätten machen können; noch nicht einmal genügend Asiaten wanderten ein, wie nach Peru, um unsere Getragenheit auszugleichen und unsere Küche zu würzen; doch selbst wenn Wagemutige aus allen Himmelsrichtungen freudig herbeigeströmt wären, um unser Land zu besiedeln, hätten die stolzen Familien kastilisch-baskischer Herkunft sicher dafür gesorgt, sich sowenig wie möglich zu mischen, es sei denn mit Leuten aus Nordeuropa. Um es deutlich zu sagen: Unsere Einwanderungspolitik ist offen rassistisch gewesen. Lange Zeit wurden weder Asiaten noch Schwarze, noch sonst dunkelhäutige Menschen aufgenommen. Im19. Jahrhundert kam einer unserer Präsidenten auf die Idee, Deutsche aus dem Schwarzwald zu uns zu locken und ihnen im Süden Land anzubieten, das natürlich nicht ihm, sondern den Mapuche gehörte, ein Umstand, an den außer den

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