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Mein erfundenes Land

Mein erfundenes Land

Titel: Mein erfundenes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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aufgekauft hatte, um sie aus dem Verkehr zu ziehen, und mit denen meine Brüder und ich als Kinder Forts gebaut hatten. Nein, die Schriftstellerei war gewiß kein gangbarer Weg in einem Land wie Chile, wo man in intellektuellen Kreisen Frauen noch rundheraus verachtete. In einem unermüdlichen Feldzug haben wir Frauen uns mittlerweile in einigen Bereichen den Respekt unserer Höhlenmenschen erstritten, aber kaum passen wir einmal nicht auf, erhebt der Machismo aufs neue sein haariges Haupt.
    Ich verdiente mir den Lebensunterhalt eine Zeitlang alsSekretärin, heiratete Miguel, meinen Freund von jeher, und wurde unverzüglich schwanger mit meiner ersten Tochter Paula. All meinen feministischen Ideen zum Trotz war ich aufopfernd und dienstfertig wie eine Geisha, war die typische chilenische Ehefrau, die ihren Mann mit Bedacht und Heimtücke zum Kind macht. So hatte ich drei Berufe, schmiß den Haushalt, kümmerte mich um die Kinder, hetzte mich von früh bis spät ab, um den Berg von Verpflichtungen abzutragen, die ich mir aufgehalst hatte, darunter ein täglicher Besuch bei meinem Großvater. Dessenungeachtet erwartete ich abends meinen Mann mit der Olive aus seinem Martini zwischen den Zähnen und legte ihm die Kleider für den nächsten Tag zurecht. In den Verschnaufpausen wienerte ich seine Schuhe und schnitt ihm die Haare und die Nägel wie jede dahergelaufene Fernseh-Elvira.
    Innerhalb des Büros schaffte ich es rasch, daß man mich in die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit versetzte, wo ich Pressemitteilungen schreiben und den Kontakt zu den Medien pflegen mußte, was kurzweiliger war, als Bäume zu zählen. Ich muß zugeben, daß ich mir den Journalismus nicht aussuchte, ich war einfach nicht auf der Hut, und er packte mich mit einem Tatzenhieb; es war Liebe auf den ersten Blick, eine jäh entflammte Leidenschaft, die entscheidend für vieles in meinem Leben werden sollte. Zu jener Zeit begann in Chile das Fernsehen zu senden, auf zwei Kanälen in Schwarzweiß, die den Universitäten angeschlossen waren. Es war Steinzeitfernsehen der primitivsten Art, und so konnte ich einen Fuß in die Tür bekommen, obwohl ich außer als Kinobesucherin nie etwas mit Filmen zu tun gehabt hatte. Ohne eine geregelte Ausbildung an einer Hochschule sah ich mich ins kalte Wasser geworfen. Aber damals lernte man das Journalistenhandwerk noch auf der Straße, und unbekümmerte Dilettanten wie ich wurden in Maßen geduldet. Hier lohnt sich zu erwähnen, daß heute die meisten Journalisten in Chile Frauen sind, die häufig besser ausgebildet, bekannterund mutiger sind als ihre männlichen Kollegen, aber fast immer unter einem männlichen Vorgesetzten arbeiten müssen. Mein Großvater war von meinem neuen Wirken gar nicht angetan; für ihn war das eine Beschäftigung für Gauner, niemand, der ganz bei Trost war, redete freiwillig mit einem Reporter, und wer auf sich hielt, entschied sich nicht für einen Beruf, dessen Rohstoff die Gerüchte waren. Aber heimlich sah er wohl doch meine Sendungen, denn zuweilen entschlüpften ihm verräterische Kommentare.
    In jenen Jahren wuchsen rund um die Hauptstadt in alarmierender Weise Elendsquartiere mit Wänden aus Pappe, Dächern aus Wellblech und Bewohnern in Lumpen. Auf der Fahrt vom Flughafen stachen sie ins Auge, was einen sehr schlechten Eindruck auf Besucher machte; lange Zeit löste man dieses Problem dadurch, daß man sie hinter Mauern verbarg. Wie ein Politiker damals sagte: »Wenn es schon Armut gibt, soll sie zumindest nicht auffallen.« Obwohl schließlich von Regierungsseite einiges getan wurde, um die Bewohner in würdigeren Verhältnissen unterzubringen, gibt es auch heute noch solche Siedlungen, aber es ist kein Vergleich zu den Zuständen damals. Die Menschen strömten vom umliegenden Land oder aus den entlegensten Provinzen auf der Suche nach Arbeit in die Stadt, und weil sie nicht wußten, wo sie bleiben sollten, errichteten sie diese beklemmenden Siedlungen. Trotz der Schikanen der Polizei wuchsen die Slums und organisierten sich; war ein Stück Land erst einmal besetzt, konnte man die Menschen weder vertreiben noch verhindern, daß immer neue dazukamen. Die Hütten reihten sich an unbefestigten Wegen, die im Sommer unter Staubwolken und im Winter im Morast versanken. Zwischen den Hütten trieben sich Hunderte barfüßiger Kinder herum, deren Eltern jeden Morgen in die Stadt aufbrachen in der Hoffnung, eine Arbeit für den Tag zu finden, so daß sich »der Topf aufstellen«

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