Mein feuriges Herz
spürte sie seine Präsenz. Ihr war, als betrete sie eine andere Welt, die exotische Welt Indiens. Die Einrichtung bestand aus hellen, geflochtenen Bambusmöbeln, ein schwacher Geruch nach Sandelholz hing in der Luft und ein angenehmer, leicht moschusartiger Duft, den sie bereits an Gray wahrgenommen hatte.
Ein hochfloriger indischer, burgunderrot und dunkelblau gemusterter Teppich bedeckte das Parkett, auf Beistelltischen standen kunstvoll gehämmerte und ziselierte Messingvasen und Schalen. Sie hob die Kerze hoch und bewunderte die zahlreichen Kunstgegenstände, die Gray vermutlich auf seinen Reisen gesammelt hatte. In einer Glasvitrine waren Objekte aus fein geschnitztem Elfenbein, Jade und Koralle ausgestellt. An der Wand darüber hingen zwei gekreuzte Militärsäbel.
Sie spürte Gray Forsythes Gegenwart so deutlich, als stünde er hinter ihr. Daher drehte sie sich um und hielt den Leuchter hoch, um sich zu vergewissern, dass sie allein war. Erst dann begann sie ihre Suche, entdeckte allerlei interessante Dinge, aber nichts, was Gray mit Laurel in Verbindung gebracht hätte.
In einer getriebenen Messingschatulle fand sie zwei gefaltete Briefe und konnte nicht widerstehen, sie zu lesen. Im ersten schrieb seine Mutter ihm, wie sehr sie ihn liebte, und legte ihm ans Herz, den zweiten Brief zu öffnen, wenn ihm hässliche Gerüchte über seine Geburt zu Ohren kämen. Sie bat ihn, ihren Worten zu glauben, niemals daran zu zweifeln und seinem Herzen zu vertrauen, dass sie die Wahrheit sprach.
Dem Datum entnahm Corrie, dass Lady Tremaine den Brief kurz vor ihrem Tod geschrieben hatte. Gray war damals zehn Jahre alt.
Corrie sank auf den nächsten Stuhl, schämte sich ihrer Neugier, konnte aber nicht widerstehen, auch den zweiten Brief zu lesen, in dem die Countess ihrem Sohn unmissverständlich erklärte, dass er der leibliche Sohn des Earl of Tremaine war.
Ich war deinem Vater niemals untreu und habe ihn immer geliebt. Seine krankhafte Eifersucht zwingt ihn zu seinem Verhalten und seinen Zweifeln. Ich hoffe, du kannst ihm eines Tages verzeihen.
Corrie las die Zeilen mit tiefer Beklommenheit. Gray hatte als Kind unter der unbegründeten Eifersucht seines Vaters gelitten, hatte seine Mutter früh verloren und später seine Ehefrau. Er musste unter seiner Einsamkeit sehr gelitten haben. Hatte die einfühlsame Laurel sich zu diesem einsamen Mann hingezogen gefühlt? Corrie fand keine Antwort darauf.
Sorgsam legte sie die Briefe wieder in die Schatulle und begab sich in das große Zimmer, wo sie die Schubladen des wuchtigen Mahagonischreibtisches durchsuchte.
Da sie auch hier nichts fand, trat sie an den Bücherschrank, überflog die Buchtitel und war drauf und dran, in ihr Zimmer zurückzukehren, als ihr Blick auf einen schmalen Band fiel, der ein wenig nach hinten geschoben zwischen zwei breiten Buch rücken stand, als sollte er nicht entdeckt werden. Sie zog das Buch heraus und las den Titel: William Shakespeare Sonette.
Ihr Herz begann wild zu klopfen. Shakespeares Sonette waren Laurels Lieblingslektüre gewesen. Der abgegriffene Ledereinband kam ihr irgendwie vertraut vor. Mit zitternden Fingern schlug sie das Buch auf, und ihr Blick heftete sich auf eine Widmung auf der ersten Seite in anmutig geschwungener Frauenhandschrift.
Mein teuerster Geliebter,
wir haben so viele schöne gemeinsame Stunden verbracht. Der Nachmittag, an dem wir uns in die Sonette vertieften, wird mir in ewiger Erinnerung bleiben. Ich schenke dir den Band, in der Hoffnung, dass du mich nie vergisst. In inniger Liebe, Laurel
Corries Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Erinnerungen an ihre Schwester stürmten auf sie ein, während Tränen in ihren Augen brannten. Laurel, die auf der Fensterbank saß, in den Gedichtband vertieft und davon schwärmte, eines Tages der Liebe zu begegnen, die Shakespeare so wunderbar geschildert hatte. Die Widmung erwähnte zwar den Namen des Mannes nicht, den Laurel so sehr geliebt hatte, dass sie ihm ihr Lieblingsbuch schenkte, aber es konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass dieser Mann auf Schloss Tremaine lebte.
War es Gray? Corrie versuchte sich vorzustellen, wie Gray und Laurel sich romantische Gedichte vorlasen. Aber irgendwie wollte sich kein überzeugendes Bild einstellen.
Nachdenklich wanderte Corries Blick über die düstere Einrichtung des Arbeitszimmers und heftete sich auf die Tür zum Nebenzimmer. In diesem Kabinett bewahrte Gray die Dinge auf, die ihm am Herzen lagen. Wäre der
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