Mein feuriges Herz
müssen.
Stattdessen wünschte sie, er wäre geblieben.
Am nächsten Tag traf Lord Jason ein. Ein hinreißend schöner Mann. Die Stubenmädchen hatten bereits kichernd über ihn getuschelt, aber ihn leibhaftig zu sehen verschlug Corrie den Atem.
Jason Forsythe war in gewisser Weise noch attraktiver als Gray. Nicht ganz so hochgewachsen und von Statur weniger kraftvoll, mit brünettem Haar und strahlend blauen Augen entsprach er dem Traum jeder Frau. Wenn er lächelte, und das tat er häufig, bildeten sich Grübchen in seinen Wangen, und sein Lachen klang heiter und ansteckend.
Mit fünfundzwanzig war er nur zwei Jahre älter als Laurel. Corrie fiel es nicht schwer, sich vorzustellen, dass Laurel sich in Lord Jason verliebt hatte. Aber ebenso schwer konnte sie sich vorstellen, dass dieser junge, charmante Mann ein Mörder sein sollte.
„Hätte ich geahnt, welch reizenden Gast ich auf Castle Tremaine vorfinde“, erklärte er bei der Begrüßung, „wäre ich früher nach Hause gekommen.“ Mit einer formvollendeten Verneigung hauchte er Corrie einen Kuss auf den Handrücken. „Leider hatte ich nie das Vergnügen, Ihren Gatten kennenzulernen, Mrs. Moss, aber ich muss gestehen, der Mann hat einen ausgezeichneten Geschmack.“
Corrie fühlte sich von seinem Kompliment geschmeichelt und senkte den Blick.
„Ich hoffe nur, dass Cyrus wohlauf ist“, entgegnete sie, darauf bedacht, in ihrer Rolle zu bleiben. „Ich bin besorgt um ihn, da ich lange nichts von ihm gehört habe.“
„Sie müssen sehr einsam sein“, bemerkte Jason und reichte ihr den Arm, um sie ins Esszimmer zu führen. „Vielleicht kann ich Sie ein wenig aufheitern und auf andere Gedanken bringen.“
Corrie lächelte zu ihm auf. „Das würde mich freuen.“
Sie betraten das kleine Esszimmer, in dem die Familie bei weniger formellen Anlässen speiste. In der Mitte stand ein langer ovaler Mahagonitisch, dazu zwölf grün gepolsterte Stühle mit hohen Lehnen. Über der langen Tafel hing ein ausladender Kristalllüster, dessen Gaslampen den Raum in weiches, goldenes Licht tauchten.
Jason rückte ihr den Stuhl zurecht und setzte sich ihr gegenüber hin. Charles und Rebecca nahmen ihre üblichen Plätze ein. Rebecca trug ein elfenbeinfarbenes, mit Goldfäden durchwirktes, tief dekolletiertes Abendkleid, das den Goldschimmer ihrer blonden Locken hervorhob. Corrie fühlte sich in ihrem türkisgrünen, altmodischen Kleid ziemlich deplaziert. Es gab zwar die Schultern frei, aber die Stoffrosen am Ausschnitt waren leicht angestaubt und der Saum ein wenig ausgefranst. Allerdings entsprach ihre Erscheinung genau dem Bild einer armen Verwandten.
Ausnahmsweise erschien der Earl zum Essen, nahm seinen Platz am Kopfende der Tafel ein und warf Corrie einen eindringlichen Blick zu. Unvermutet schoss ihr der Gedanke durch den Sinn, Tremaine störe sich daran, dass sie seinem attraktiven Cousin Aufmerksamkeit schenkte. Wieso sie sich darüber freute, wollte sie nicht näher hinterfragen.
Während der erste Gang aufgetragen wurde, eine köstliche Lauchcremesuppe, schenkte Corrie Jason ein besonders strahlendes Lächeln.
„Wie ich höre, sind Sie vor Kurzem von einer Europareise zurückgekehrt. Waren Sie lange unterwegs?“
„Nur zwei Monate. Vorwiegend in Italien, aber auch ein paar Wochen in Frankreich.“
Gray trank einen Schluck Wein. „Mrs. Moss interessiert sich sehr für römische Kunstgeschichte.“ Der Blick seiner dunklen Augen brannte sich in sie. „Hast du auch die Ausgrabungen von Pompeji besichtigt?“
Corrie verschluckte sich beinahe und hüstelte.
Jason griff über den Tisch und nahm ihr das Glas aus der zittrigen Hand.
„Geht es wieder?“
„Danke. Ich habe mich nur verschluckt.“
„Was meintest du?“, drängte Gray, und Corrie hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben.
„Nein, Pompeji lag leider zu weit ab von meiner Route. Aber ich habe viel von Rom gesehen.“
Corrie warf Gray einen wütenden Seitenblick zu und wandte sich wieder an Lord Jason. „Rom ist gewiss eine aufregende Stadt. Die Geschichte des Kolosseums ist faszinierend. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Arena mehr als fünfzigtausend Zuschauer fasste, und die Eröffnungsspiele sollen hundert Tage gedauert haben. Man hat die Arena sogar mit Wasser geflutet, um Seeschlachten nachzustellen. Schier unglaublich, nicht wahr?“
Gray furchte die Stirn. „Ich dachte, Sie lesen nur Frauenzeitschriften.“ Sein argwöhnischer Ton mahnte sie an ihre Rolle. Sie war
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