Mein Flirt mit der Blutfrau
einem gewaltigen Satz tauchte sie in die Dunkelheit der Höhle, wo ich sie so schnell nicht mehr erreichen konnte.
Zu meinen Füßen lagen die Trümmer des Altars. Noch immer zersprangen sie mit peitschenden und knallenden Lauten, wallte Nebel auf, der sich mit feinem Staub vermischte.
Ich kämpfte mich hindurch.
Glücklicherweise hatte ich feststellen können, wohin die Blutfrau gelaufen war.
Ich schlug die gleiche Richtung ein und strahlte in die tiefe Finsternis des Gewölbes.
So sehr der helle Kegel auch tanzte, tastete und suchte, die Frau erwischte ich nicht.
Irgendwann blieb ich stehen. Hinter mir war es ruhig geworden. Nur mehr einige Schwaden trieben durch die Höhle, die widerlich stanken. Lavinia di Luna zeigte sich nicht.
Ich ärgerte mich. Aus falscher Rücksichtnahme hatte ich zunächst den Stein angegriffen. Ich hätte sie zuerst mit meinem Talisman attackieren sollen.
Pech…
Natürlich wuchs meine Angst um Juan. Sie hatte ihn nicht umsonst als einen Trumpf erwähnt. Daß dies kein Bluff gewesen war, davon ging ich einfach aus.
Es stellte sich die Frage, wo ich den Jungen finden konnte. Am Eingang des Schachts wartete er nicht mehr. Entweder befand er sich noch in der Höhle, oder aber Lavinia hatte ihn draußen gelassen. Es gab ja einen zweiten Ausgang.
Nur mußte ich den erst einmal finden.
Leider hatte ich keine Vorstellung davon, wie groß dieses Gewölbe war. Die Höhle konnte durchaus in ihren Ausmaßen den gesamten Hang unterkellert haben, bis hin zur felsigen Strandregion, wo die Wellen des Meeres gegen die Ufer brandeten.
Das häßliche Lachen der Blutfrau stoppte mich. Es peitschte wie Donnerhall durch das Gewölbe und trieb mir einen Schauer über den Rücken. Dann verstummte es.
Dafür hörte ich ihre Stimme. »Fast hättest du es geschafft, John. Aber nur fast. Jedenfalls habe ich bewiesen bekommen, daß du etwas Besonderes bist.« Ihre Stimme hallte nach, als hätte sie aus einer engen Röhre gesprochen.
»Und ich weiß jetzt, wie feige du bist, Lavinia. Du traust deinen eigenen Fähigkeiten wohl nicht — oder?«
»Doch — nur werde ich mir etwas anderes einfallen lassen!«
»Und was?«
»Ich habe dir von meinem zweiten Trumpf berichtet. Das ist Juan. Er wird es auszubaden haben.«
»Das ist ja deine Feigheit!« schrie ich zurück. »Er ist wehrlos, er kann gegen dich nicht ankommen…«
»Er hätte alles haben können. Doch du hast einen Fehler gemacht und die Blutfrau gereizt. Der Altar gab mir Kraft. Er hat das Mondlicht gesammelt. Was all die Jahrhunderte Bestand gehabt hatte, ist von dir zerstört worden, das bekommst du zu spüren. Und auch die anderen. Wir sehen uns wieder, John…«
Ich hätte noch viele Fragen stellen können, es lohnte sich nicht mehr. Die Blutfrau hatte sich zurückgezogen. Sie kannte sich hier unten aus, ich mußte den Ausgang noch suchen.
Allmählich bekam ich Beklemmungen…
***
Er lag dort, wo die Felsen vom Wasser umspült wurden. Über sich sah er den dunklen Himmel, wo der Mond wie ein heller, an einer Seite abgeflachter Ball herabglotzte.
Die Tränen rannen über Juans Gesicht und hatten sich mit dem feinen Sand vermischt, der auf seiner Haut klebte. Er hätte sie gern abgewischt, das war nicht möglich, denn Arme und Beine konnte er nicht bewegen, weil er von der Blutfrau in den Sand eingegraben worden war, und zwar so weit, daß nur noch sein Kopf hervorschaute.
Von allein war es ihm unmöglich, sich zu befreien. Der Sand preßte ihm die Arme und Beine gegen den Körper. Er war hart wie Stahl, und Juan hatte das Gefühl, als würde er sich immer stärker zusammendrücken und ihm die Luft rauben.
Wer in einer derart schlimmen Haltung stand, der sah die Welt aus einer völlig anderen Perspektive. Für ihn wurden selbst die normalen Dinge zu einer Bedrohung.
Die kleinen Steine, nicht größer und höher als eine halbe Armlänge, erinnerten plötzlich an hohe Berge. Die auslaufenden Wellen kamen ihm vor wie mächtige Wogen bei einem Sturm.
Tiere, über die er sonst gelacht oder sie zertreten hatte, wuchsen heran zu kleinen Monstern.
Da waren die Strandkäfer, die zahlreichen Insekten und auch die Krebse, die von den auslaufenden Wellen an den Strand getrieben wurden und sich erst bei Dunkelheit aus dem Wasser wagten. Er sah sie aus gleicher Höhe. Seine Augen befanden sich dicht über dem welligen Sand, über den der kühle Nachtwind fuhr. Sand flog in sein Gesicht, kratzte darüber, blieb darauf kleben.
Juan erlebte eine
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