Mein Flirt mit der Blutfrau
mich von Tieren, von Würmern, von Käfern. Immer schmeckte ich deren Blut, so blieb ich die Zeiten über erhalten und konnte damit beginnen, mich zu befreien. Sehr viel später baute man einen Schacht. Die Männer, die es taten, wußten von mir nichts. Erst ließ ich sie den Schacht bauen, dann tötete ich sie und trank ihr Blut. Ihre Gebeine sind längst vermodert, aber ich lebte weiter.«
»Du hast es geschafft, noch einen zweiten Ausgang zu finden?«
»So ist es.«
»Gelangst du durch ihn zum Meer?«
»Ja, denn auch das Wasser ist wichtig für mich. Seine dunkle Fläche enthält ebenfalls eine strahlende Kraft, die der Mond auf das Meer schickt. Es ist alles vorbestimmt, es ist alles Schicksal. So hatte es auch sein sollen, daß Juan den Schacht fand. Er war neugierig, ich nahm mit ihm Kontakt auf, und er besorgte mir die Tiere, deren Blut ich schluckte. Es gab mir die Schönheit zurück. Das Leben hatte ich durch mein Band, aber die Schönheit bekam ich erst später. Als es soweit war, konnte ich die Höhle verlassen und ging unter die Menschen. Ich wollte sie sehen, ich wollte erkennen, was sich verändert hat in all der langen Zeit, und es hat sich viel getan, doch die Menschen sind irgendwie gleich geblieben. Sie streben noch immer danach, reich zu werden, nur haben sie die alten Werte, die Sagen und Legenden vergessen, und das kann sie teuer zu stehen kommen. Lavinia di Luna, die Blutfrau, ist wieder da.«
»Nicht mehr lange!« sagte ich. »Willst du mich aufhalten?«
»Deshalb bin ich hier.«
Sie lachte. »Auch du gehörst zu den modernen Menschen, die auf die äußere Schönheit hereinfallen. Gib zu, daß du verrückt nach mir gewesen bist. Gib es zu!«
»Es stimmt!«
»Da siehst du es.«
»Ich frage mich nur, weshalb wir beide zusammengekommen sind. Weshalb hast du mich ausgesucht? War es wirklich ein Zufall?«
Sie überlegte einen Moment, bevor sie mir die Antwort gab. »Fast«, erklärte sie. »Ich kannte dich nicht, aber ich habe dich trotzdem gesucht, weil ich dich spürte, begreifst du das?«
»Nein!«
»Es ist ganz einfach, John Sinclair. Wer die Kräfte der Finsternis, der Dunkelheit des Firmaments und die des Mondes in sich spürt, der weiß Bescheid. Der ist sehr sensibel geworden, denn er kann schauen. Er spürt, er fühlt, er ist für gewisse Dinge aufgeschlossen. Und ich habe dich gespürt. Ich wußte plötzlich, daß es einen Menschen im Ort gibt, der anders ist, der mir auch gefährlich werden kann. Ihn wollte ich haben, ihn wollte ich aufspüren. Ich habe dich gesucht und bin den Strahlungen, die von dir ausgingen, nachgegangen. Ich sah dich auf dem Friedhof und später im Hotel. Wir gingen zum Strand…«
Daran wollte ich nicht unbedingt erinnert werden. »Dort wurde die Leiche angetrieben, eines von deinen Opfern.«
»Das ist wahr!«
»Weshalb hast du gemordet?«
»Blut, ich brauchte es!«
»Reichten dir die Tiere nicht mehr?«
»Nein, ich wollte eine Stufe höher gehen. Und ich tötete diejenigen Personen, die Juan, meinem Schützling, Böses wollten.«
»Fsmeralda Pinosa bestimmt nicht.«
»Sie hätte ich nicht getötet, aber sie wies mich ab. Verstehst du das? Sie wollte nicht, daß Juan mein Freund war. Sie wies mich einfach ab. Ist das nicht schlimm?«
»Wahrscheinlich hat sie gespürt, welch einen Einfluß du auf Juan ausgeübt hast.«
Lavinia lächelte schmal, bevor sie auf den Altarstein zuging und so dicht vor ihm stehenblieb, daß sie die Kante berührte. Dann spreizte sie die Hände und legte die Fingerkuppen auf den schwarzen, blanken Stein. Ich wußte nicht, was diese Gestik bedeuten sollte, bekam Sekunden später die entsprechende Aufklärung, als Lavinia di Luna ihre Hände im Uhrzeigersinn kreisförmig bewegte und auf dem glattem Gestein ihre Spuren hinterließ.
Zunächst wollte ich nicht glauben, was ich sah, senkte den Strahl der Fampe ein wenig, so daß der Kegel direkt über die Fläche streichen konnte und das hervorholte, was Lavinia dort hinterlassen hatte. Blut!
Kreise aus Blut. Mir wurde auch klar, wie das Blut an die Schlafzimmerwände des Hotelbesitzers geschmiert worden war. Diese Person brauchte nur mit ihren Fingerspitzen darüber hinwegzustreichen, dann hatte sie diese makabre Botschaft hinterlassen.
»Na, was sagst du?«
»Du steckst voll damit, nicht wahr?«
»Das stimmt. Ich lebe damit, ich brauche es.« Sie zog die Hände wieder zurück, drehte sie und hielt mir ihre Flächen entgegen. »Da, schau genau hin…«
»Danke, es
Weitere Kostenlose Bücher