Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
»Woher wissen Sie von Dewey?«
»Wir haben in der Zeitschrift Cats über ihn gelesen. Wir lieben Katzen!«
Das war nicht zu übersehen.
»Okay«, sagte ich, weil mir nichts anderes dazu einfiel. »Dann stelle ich Ihnen Dewey mal vor.«
Wie immer war Dewey bereit, mitzumachen. Er spielte mit den Kindern. Er posierte für Fotos. Ich zeigte dem kleinen Mädchen den Dewey-Tragegriff und sie schleppte ihn auf ihrer linken Schulter in der Bücherei herum. Ich weiß nicht, ob es die lange Autofahrt wert gewesen ist, aber die Familie zog glücklich von dannen.
»Das war ja seltsam«, meinte Kay, sobald sie gegangen waren.
»Finde ich auch«, erwiderte ich. »Ich glaube, so etwas passiert nie wieder.«
Doch es passierte wieder. Immer wieder. Sie kamen aus Utah, Washington, Mississippi, Kalifornien, Maine und aus allen anderen Ecken der Vereinigten Staaten. Unter ihnen waren ältere Paare, jüngere Paare und Familien. Später ärgerte ich mich, dass ich nicht von Anfang an ihre Namen aufgeschrieben hatte, doch anfangs erschien es so unwahrscheinlich, dass noch mehr Leute wegen Dewey von so weit her kommen würden. Als wir begriffen hatten, welche Anziehungskraft Dewey ausübte, fanden wir die angereisten Gäste nicht mehr ungewöhnlich.
Wie hatte Dewey zu einer derartigen Attraktion werden können? Abgesehen vom Spencer Daily Reporter hatten wir mit keiner Tageszeitung von uns aus Kontakt aufgenommen. Und der Fotowettbewerb unserer Supermarktfiliale war der einzige Wettbewerb, an dem wir mit Dewey jemals teilgenommen hatten.
Wir waren Deweys Anrufbeantworter, nicht mehr und nicht weniger. Das Telefon klingelte, und schon wieder war eine Zeitschrift, ein Fernseh- oder Radiosender dran, der um ein Interview bat. Immer wieder fanden wir in der Post Artikel von Zeitschriften oder Zeitungen, von denen wir noch nie gehört hatten. Und wir konnten damit rechnen, dass eine Woche nach Erscheinen des Artikels wieder eine Familie von irgendwoher im Land in die Bücherei kommen würde.
All diese weit gereisten Dewey-Fans waren von ihrem Besuch bei uns begeistert. Das weiß ich nicht nur, weil sie es mir sagten und weil ich es von ihren strahlenden Gesichtern ablesen konnte, sondern weil sie nach ihrer Rückkehr zu Hause anderen von Dewey erzählten. Sie zeigten ihnen Fotos. Sie schrieben an Freunde und Verwandte – zuerst Briefe und später E-Mails. Dewey bekam Post aus Taiwan, den Niederlanden, Südafrika, Norwegen und Australien. In einem halben Dutzend Ländern hatte er Brieffreunde.
Der Besuch, der mich am meisten rührte, war der eines jungen Elternpaars aus Texas und ihrer sechsjährigen Tochter. Sobald ich sie eintreten sah, war mir klar, dass dies für das Mädchen ein ganz besonderer Ausflug war. Ich erfuhr nicht, ob sie krank oder traurig war oder einen für sie wichtigen Menschen verloren hatte. Aber es kam mir vor, als hätte sie sich von ihren Eltern etwas ganz Besonderes wünschen dürfen, und sie hatte sich gewünscht, Dewey kennenzulernen. Sie hatte sogar ein Geschenk für ihn dabei.
»Es ist eine Spielzeugmaus«, sagte ihr Vater. Dabei lächelte er, aber ich sah ihm an, dass er sich Sorgen machte. Dies war nicht einfach nur ein spontaner Familienausflug.
Ich lächelte zurück, dachte dabei aber nur: Hoffentlich ist diese Maus mit Katzenminze gefüllt!
Dewey hatte regelmäßig Phasen, in denen er Spielzeug ohne Katzenminze überhaupt nicht beachtete und leider steckte er gerade in einer solchen Phase. Etwas besorgt ging ich Dewey holen.
Der Kater schlief gerade in seinem neuen Webpelzbettchen, das wir vor meiner Bürotür an einen Heizkörper gestellt hatten. Ich weckte ihn auf und versuchte dabei, telepathisch auf ihn einzuwirken: Bitte, Dewey, bitte! Das hier ist wichtig!
Er war so müde, dass er kaum die Augen aufbekam.
Wie viele Kinder traute sich das kleine Mädchen zuerst nicht so recht an Dewey heran und deshalb streichelte die Mutter ihn als Erste. Dewey lag da wie ein Sack Kartoffeln. Als das Mädchen endlich seinen Arm nach ihm ausstreckte, wurde Dewey gerade mal wach genug, um sich an ihre Hand zu schmiegen. Der Vater nahm Dewey und das Mädchen auf den Schoß und Dewey kuschelte sich sofort an die Kleine.
Ein oder zwei Minuten lang blieben sie so sitzen. Dann zeigte das Mädchen Dewey das Geschenk, das sie ihm mitgebracht hatte. Es war schön eingepackt, mit Geschenkband und Schleife. Dewey wurde aufmerksamer, aber ich merkte, dass er immer noch müde war. Er hätte lieber auf dem Schoß den
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