Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
etwas nicht stimmte. Als sie es mir Jahre später erzählte, merkte ich, dass dieses Erlebnis immer noch eine ganz besondere Bedeutung für sie hatte.
25
Zuhause ist da, wo es Bücher gibt
Erst als Dewey 13 Jahre alt war – was ungefähr 70 Menschenjahren entspricht – kam es mir vor, als würde er gesetzter. Er blieb länger in seinem Katzenbettchen liegen, und die wilden Spiele wurden durch geruhsame Ausfahrten auf dem Bücherwagen ersetzt. Anstatt aber wie früher auf den Wagen zu springen, maunzte er uns an, damit wir ihn hochhoben. Dann fuhr er vorne auf dem Wagen wie ein Kapitän auf seinem Schiff.
Er sprang auch nicht mehr zu den Deckenleuchten hoch. Ich glaube allerdings, dass er dazu immer noch imstande gewesen wäre, er aber sein Reich unter der Decke inzwischen langweilig fand.
Als Dewey nicht mehr auf den obersten Regalbrettern entlangrannte, nahm Kay sein altes Katzenbett und stellte es auf ein Regalbrett oberhalb ihres Schreibtischs. Dewey machte es sich dann da oben gemütlich und sah Kay bei der Arbeit zu.
Nicht allzu lange nachdem Kay das Katzenbett umgestellt hatte, löste sich das Regalbrett, als Dewey hinaufsprang. Mit strampelnden Beinen flog der Kater in die eine Richtung und Notizblöcke und Büroklammern flogen in die andere. Noch bevor die letzte Büroklammer auf dem Boden aufkam, war Dewey schon wieder da, um sich den Schaden zu besehen.
»In dieser Bücherei kann dich nichts mehr erschrecken, nicht wahr, Dewey?«, meinte Kay grinsend.
Nur Bürsten und Bäder , hätte ihr Dewey wohl am liebsten geantwortet.
Je älter Dewey wurde, desto unangenehmer wurde es ihm, gebürstet oder gebadet zu werden.
Er hatte jetzt auch nicht mehr so viel Geduld für Vorschulkinder wie früher. Er hatte Kinder von Anfang an geliebt und liebte sie bis an sein Lebensende, aber ihre unbeabsichtigten Grobheiten ertrug er immer schlechter. Sein Körper wurde empfindlicher und die kleinen Knuffe und Schubser taten ihm weh. Er kratzte die Kinder nie und lief auch nicht vor ihnen weg, doch er versuchte, sich rechtzeitig zu verstecken, wenn er bestimmte Kinder kommen sah.
Mit Babys war das etwas anderes. Einmal konnte ich beobachten, wie sich Dewey in gut einem halben Meter Entfernung von einem kleinen Mädchen niederließ, das in einem Tragekorb lag. Eine ganze Minute lang hockte Dewey mit gelangweiltem Gesichtsausdruck einfach nur da, als wolle er sagen: Ich bin nur zufällig hier vorbeigekommen. Dann aber, als er glaubte, ich schaue nicht hin, robbte er ein paar Zentimeter näher.
Hab mich nur bequemer hingesetzt, aber guck wieder weg, hier gibt es nichts Interessantes zu sehen , sprach aus seiner ganzen Körperhaltung.
Doch eine Minute später rutschte er wieder ein Stückchen näher und nach einer Minute wieder. Zentimeter um Zentimeter näherte er sich dem Baby, bis sein Fell den Korb berührte. Wie um zu sehen, ob da wirklich ein Kind drin war, streckte er seinen Kopf über den Rand. Das Baby grapschte nach seinem Ohr. Dewey machte einen langen Hals, damit sie es besser zu fassen bekam. Die Kleine lachte, strampelte und drückte Deweys Ohr zusammen, und zwar ziemlich fest. Dewey saß ganz ruhig da und wirkte sehr zufrieden. Er kannte keine Vorbehalte, und das zählte zu seinen besten Eigenschaften.
Als Kätzchen leistete er täglich einer obdachlosen Frau Gesellschaft, die in die Bücherei kam, um ihn zu streicheln. In reiferem Alter war der beste Freund unseres Katers ein Landstreicher, der eine Weile jeden Tag die Bücherei besuchte. Er war unrasiert, ungekämmt und ungewaschen. Er sprach nie ein Wort mit uns oder den anderen Besuchern und sah auch niemanden an. Es war klar, dass er nur wegen Dewey kam. Er hob Dewey hoch und legte ihn sich über die linke Schulter. Dewey blieb eine knappe halbe Stunde lang in dieser Position und schnurrte, während ihn der Mann sanft streichelte.
Donna Stanford, unsere neue Bibliotheksassistentin für die Kinderabteilung, war erst vor Kurzem nach Nordwest-Iowa gekommen und kannte noch niemanden. Der einzige Einheimische, der auf sie zuging war Dewey. Er hing gerne über ihrer Schulter, wenn sie auf ihrem Schreibtischstuhl herumrollte, um Bücher einzusortieren. Wenn er dazu keine Lust mehr hatte, kletterte er auf ihren Schoß herunter, damit sie ihn kraulte.
Einmal überraschte ich die beiden: Dewey lag mit geschlossenen Augen auf ihrem Schoß. Donna streichelte Dewey in Gedanken versunken. Ich merkte, dass ich sie erschreckt hatte.
»Mach dir keine Sorgen«,
Weitere Kostenlose Bücher