Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
sagte ich, »den Kater zu streicheln gehört zu deinen Aufgaben bei uns.«
Dann war da noch Scott, der Freund meiner Tochter Jodi. Als er das erste Mal nach Spencer kam, nahm Jodi ihn in die Bücherei mit, damit er Dewey kennenlernen konnte. Daran, dass Jodi das wollte, merkte ich, dass es ihr mit dieser Beziehung ernst war: Ihre bisherigen Freunde hatte Jodi unserem Kater nicht vorgestellt.
Dewey war überglücklich, Jodi zu sehen. Inzwischen war er schon alt, aber das hinderte ihn nicht daran, zu Ehren meiner Tochter ein paar Salti rückwärts zu springen. Scott ließ den beiden genügend Zeit, ihr Wiedersehen zu feiern und hob Dewey dann hoch, um ihn zu kraulen. Nicht am Bauch, was Dewey hasste, sondern am Rücken. Scott trug ihn mit dem Dewey-Tragegriff in der leeren Bibliothek herum. Dann holte er seinen Fotoapparat heraus und machte ein paar Aufnahmen für seine Mutter. Sie hatte die Geschichten über Dewey gehört und war ein großer Fan unseres Katers. Scotts Umgang mit Dewey und Deweys Verhalten gegenüber Scott sagten mir alles, was ich wissen musste.
Ich fand es überhaupt nicht ungewöhnlich, dass meine erwachsene Tochter ihren Freund in die Bücherei brachte, damit er dort die Katze ihrer Mutter kennenlernte. Schließlich bedeutete mir Dewey mehr als jedes andere Tier. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass mir ein Tier so wichtig werden würde, wie er.
Kater Dewey gehörte zu meiner Familie und seine Meinung war mir wichtig. Wie konnte jemand ernsthaft hoffen, Teil dieser Familie werden zu können, wenn er ihn nicht kannte? Doch all diese tiefen Gefühle änderten nichts daran, dass Dewey in die Bücherei gehörte. Sein Platz war bei den Besuchern.
Wenn die Bücherei mehrere Tage hintereinander geschlossen war, schnappte ich mir Dewey und holte ihn zu mir nach Hause. Eine Weile hielt der Kater es dort aus, aber sobald wir im Auto waren und wieder in die Stadt fuhren, wurde er ganz aufgeregt. Er stützte sich mit den Vorderpfoten am Armaturenbrett ab und starrte durch die Windschutzscheibe nach draußen. In den Kurven musste ich achtgeben, dass er nicht abrutschte und auf der Fußmatte aufkam. Er zitterte beinahe vor Vorfreude.
Wenn er das »Sister’s Café« roch, wusste Dewey, dass es nur noch ein paar Blocks waren. Er wurde dann richtig aufgeregt, kletterte zur Armlehne und stemmte sich mit den Vorderpfoten gegen das Seitenfenster, als wolle er die Tür aufdrücken.
Wir sind da! Wir sind da!
Er blickte über die Schulter und miaute, wenn wir in die Nebenstraße hineinfuhren. Sobald ich die Tür öffnete, sprang er in meine Arme und ich durfte ihn über die Schwelle tragen. Es kam mir so vor, als strahlte er vor Glück und Zufriedenheit. Dewey liebte nichts mehr als sein Zuhause.
26
Das Filmteam aus Fernost
2003, als Dewey 15 Jahre alt war, erhielten wir eine E-Mail aus Japan. Weil ich nach dem ersten Lesen nicht ganz sicher war, ob ich sie richtig verstanden hatte, las ich sie ein zweites Mal durch. Aber es stimmte tatsächlich: Das japanische Fernsehen wollte Dewey filmen! Es sollte ein Dokumentarfilm werden. Von Dewey hatten sie durch einen Artikel in der japanischen Zeitschrift Nekobiyori erfahren. Ob wir damit einverstanden seien, dass ein Filmteam für einen Tag nach Spencer kam?
Komisch! Wir hatten gar nicht gewusst, dass eine japanische Zeitung über Dewey berichtet hatte.
Ein paar Monate später trafen sechs Japaner aus Tokio ein. Sie waren nach Des Moines geflogen, der Hauptstadt von Iowa, und von dort aus mit einem gemieteten Minibus nach Spencer gefahren.
Im Mai ist es in Iowa herrlich. Man kann gerade noch so über die Maispflanzen schauen, dass man einen freien Blick über die Felder hat. Allerdings sind es von Des Moines nach Spencer über 300 Kilometer und man bekommt die ganze Fahrt über nur Maisfelder zu sehen. Was wohl sechs Städter aus Tokio denken mochten, nachdem sie sich dreieinhalb Stunden lang Mais gesehen hatten? Wir würden sie das fragen müssen, denn sie waren wohl die einzigen Bewohner von Tokio, die jemals diese Reise machen würden.
Das Filmteam hatte nur einen Tag Zeit und ich sollte deshalb bereits morgens um sieben zur Bücherei kommen. Es war ein grauer, verregneter Morgen. Die Dolmetscherin, die einzige Frau im Team, bat mich, die Eingangstüren zur Straße hin zu öffnen, damit sie ihre Kameras im Vorraum aufstellen konnten. Während sie noch ihre Ausrüstung hereinholten, kam Dewey um die Ecke getapst. Er schlief noch halb und streckte seine
Weitere Kostenlose Bücher