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Mein Freund Jossele

Mein Freund Jossele

Titel: Mein Freund Jossele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Steuerbeamte klappte ein paarmal den Mund auf und zu. Ein unartikuliertes Krächzen entrang sich seiner Kehle und ging erst nach mehreren Versuchen in verständliche Worte über:
    »Entfernen Sie sich, Herr Stockler. Sie hören noch von uns . . .«
    Die Leute von der Steuerfahndung erschienen am frühen Morgen, wiesen einen Hausdurchsuchungsbefehl vor, verteilten sich auf die einzelnen Zimmer und begannen ihr Werk. Nach ungefähr einer Stunde drang aus dem Schlafzimmer ein heiserer Jubelschrei:
    »Da sind sie!«
    Einer der Fahnder, ein Dünner mit randloser Brille, stand vor dem Wäscheschrank und hielt triumphierend drei umfangreiche Faszikel hoch . . .
    Die Verhandlung näherte sich dem Ende. Mit ungewöhnlich scharfen Worten resümierte der Anwalt der Steuerbehörde:
    »Hier, hohes Gericht, liegen die versteckten Bilanzen des Parfümeurs Stockler. Herr Stockler hatte sich Hoffnungen gemacht, dass wir eine >aus dem Gedächtnis< abgegebene Steuererklärung akzeptieren und keine Nachschau nach seinen Büchern halten würden. Es war ein Irrtum. Hohes Gericht, die Steuerbehörde verlangt, dass das Einkommen des Beklagten auf Grund der von uns aufgefundenen Bücher bewertet wird. Aus ihnen, und nur aus ihnen, geht sein wahres Einkommen hervor . . .«
    Auf der Anklagebank saß ein bleicher, glücklicher Stockler und murmelte ein übers andere Mal vor sich hin: »Sie glauben mir . . . endlich glauben sie mir . . .«
    Dankbar umarmte er Jossele auf der Kaffeehausterrasse:
    »Und nächstes Jahr fatiere ich nur noch mein halbes Einkommen. Ich habe auch schon ein herrliches Versteck. Unter der Matratze . . .«
    Gottes Hand und Josseles Fuß
    Gestern bekam ich Nachricht von Jossele. Es war ein Anruf aus dem Krankenhaus: er ließ mich bitten, ihn zu besuchen. Überflüssig zu sagen, dass ich mich sofort auf den Weg machte.
    Ich fand Jossele im Garten des Spitals, bleich und niedergedrückt in einem Rollstuhl sitzend, ein Bild des Jammers. Und was mich am meisten erschütterte: er hielt ein Gebetbuch in der Hand.
    »Jossele!« rief ich beklommen. »Was ist los mit dir? Ein Herzanfall? Oder sonst etwas Lebensgefährliches?« »Nein, nichts davon.« Er schüttelte müde den Kopf, seine Stimme klang tonlos.
    »Aber was mir am Montag passiert ist, hat mich davon überzeugt, dass es eine göttliche Gerechtigkeit gibt.«
    »Bitte, erklär dich genauer«, sagte ich und setzte mich neben ihn.
    Jossele holte tief Atem.
    »Mein Wagen war in einer Reparaturwerkstatt, und das Schicksal ereilte mich in einem städtischen Autobus«, begann er. »Linie 33. Montag. Zur Stoßzeit. Und wahrlich, ich habe gestoßen. Mit Händen, Füßen und Ellbogen habe ich mir einen Sitz erkämpft. Und kaum dass ich saß, pflanzte sich irgendein alter Idiot vor mir auf und begann sich völlig ungefragt über meine Person zu äußern. Er äußerte sich abfällig. Es sei ein Skandal und eine Schande, ein junger, gesunder Mensch wie ich bleibt sitzen, und ein alter, kränklicher Mann wie er muss stehen. Ich reagierte nicht. Die Leute sollten mich für einen Neueinwanderer halten, der die Landessprache noch nicht versteht. Der Alte schimpfte weiter, erging sich in immer heftigeren Missfallenskundgebungen über die heutige Jugend im allgemeinen und mich im Besonderen. Ich blieb ungerührt. Es fiel mir gar nicht ein, meinen bequemen Sitz gegen einen Stehplatz im Gedränge einzutauschen. Unterdessen hatten die Hetzreden des Alten den ganzen Bus gegen mich aufgebracht. Plötzlich packte er mich am Kragen, riss mich hoch und setzte sich unter dem Jubel der Menge auf meinen Platz. Jetzt war der Augenblick gekommen, ihm und seiner verhetzten Gefolgschaft eine Lektion zu erteilen. Ich schwankte, hielt mich nur mühsam aufrecht und bahnte mir stöhnend den Weg zum Ausgang, wobei ich mit schmerzverzerrtem Gesicht das rechte Bein nachschleppte. Über den Bus fiel verlegenes Schweigen, das von beschämtem Geflüster abgelöst wurde. >Der arme Kerl<, flüsterte es ringsum. >Ist gelähmt . . . hat ein krankes Bein . . . kann sich kaum bewegen . . . und dieser alte Trottel verjagt ihn von seinem Sitz. Ein Egoist! Ein Unmensch!
    Pfui!< Es fehlte nicht viel, und sie wären über ihn hergefallen. Einige standen auf, um mir ihren Sitz anzubieten. Ich winkte mit müder Märtyrergeste ab. Und da ich sowieso am Ziel war, bereitete ich mich unter neuerlichem Stöhnen zum Aussteigen vor.«
    »Gut gemacht!« Ich nickte anerkennend. »Und dann?« »Dann«, sagte Jossele, »bin ich auf dem

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