Mein Freund Jossele
auf, um das Glöckchen zu holen.
Was dich betrifft: du bist nicht auf Glöckchen eingestellt, sondern auf Stock. Ich nenne das Freiluft-Training. Kaum kommen wir an den Strand, melden sich deine Reflexe, du suchst nach einem Stock und wirfst ihn ins Wasser. Ich kann ihn zurückholen, sooft ich will - du wirfst ihn immer wieder ins Wasser.«
»Aber es macht dir doch Spaß, den Stock zu holen!« »Wer hat dir das eingeredet?«
»Ich glaubte es dir anzumerken.«
»Eben ein Irrtum. Aber das ist nicht schlimm. Im ganzen gesehen, bist du gutes Material. Nicht gerade brillant, aber anpassungsfähig. Manchmal rührst du mich sogar.«
»Naja«, machte ich geschmeichelt. »Du weißt ja, wer der beste Freund des Hundes ist.«
»Von Freundschaft kann hier keine Rede sein«, wies mich Franzi kühl zurecht. »Ich brauche dich zur Hebung meines Selbstbewusstseins, das ist alles. Und jetzt kannst du weiterschlafen, mein Kleiner.«
»Ich möchte noch -«
»Platz!«
Mussa und Garfinkel
Der Kulturträger Fernsehen - sofern man von einem solchen sprechen will - hat sich nicht nur ein eigenes, folgsames Publikum erzogen, sondern in manchen Leuten einen sozusagen tierischen Instinkt geweckt, der es ihnen ermöglicht, die Anwesenheit einer Fernsehkamera unfehlbar zu erschnüffeln und sich in das kleine Bild auf der Mattscheibe hineinzudrängeln. In Israel hat sich diese Infiltration in das Massenmedium zu einer Volkskunst entwickelt.
Die Amateurdarsteller Mussa und Garfinkel gehören zu den populärsten Stars des israelischen Fernsehens. Die unerschöpfliche Serie ihrer Abenteuer - betitelt »Wer winkt, gewinnt« - wird im Beiprogramm der meisten Sendungen ausgestrahlt. Man kennt die beiden noch im entferntesten Winkel unseres verwinkelten Landes. Sie tauchen bei jedem Interview, das unter freiem Himmel stattfindet, hinter dem Interviewten auf und winken ins Publikum, sie schieben sich bei jeder Reportage ins Blickfeld der Kamera: Mussa, der Grinser, und Garfinkel, der Glotzer.
Es ist ein Rätsel, wieso sie immer ganz genau wissen, wann und wo ein Kamerateam unseres Fernsehens in Aktion treten wird. Gleichgültig, ob der jeweils amtierende Reporter auf dem höchsten Gipfel des Skopusberges ein Gespräch mit dem Bürgermeister von Jerusalem führt oder ob er auf dem tiefsten Grund der Lohnskala einen streikenden Arbeiter befragt - Mussa und Garfinkel sind zur Stelle, kommen ins Bild, absolvieren ihr Winkpensum und beginnen, wenn sie genug gewinkt haben, Grimassen zu schneiden, offenbar zur Erheiterung ihrer zahllosen Verwandten, die im Dschungel der Antennen hausen.
Jeder der beiden Künstler hat seinen eigenen Stil entwickelt. Mussa erscheint mit einem breiten Grinsen, das von zwei unwahrscheinlich kompletten Reihen blitzender Zähne unterstützt wird, und kämpft sich mit grimmiger Entschlossenheit bis dicht vor die Kamera durch. Garfinkel ist mehr ein nachdenklicher, träumerischer Typ. Ohne dass irgendjemand gesehen hätte, wie er nach vorn gelangt ist, steht er plötzlich da und glotzt mit dem abwechslungsreichen Mienenspiel eines toten Karpfens in die Linse.
Garfinkel ist sogar imstande, stehend einzuschlafen, während gerade ein wichtiger Staatsmann eine wichtige Ansprache an das versammelte Volk richtet. Mussa hingegen, grinsend und zwischen blitzenden Kiefern einen Kaugummi kauend, pflanzt sich so dicht hinter dem Staatsmann auf, dass es aus einem bestimmten Einstellungswinkel der Kamera aussieht, als ob wir doppelköpfige Staatsmänner besäßen. Kritische Zuschauer können dann nur mühsam den Gedanken an einen Januskopf unterdrücken.
Es wäre jedoch ein Irrtum zu glauben, dass Garfinkels scheinbar temperamentlose Darbietung jeglichen Spannungsmomentes enträt. Im Gegenteil. Sowie sein Fischgesicht ins Bild schwimmt, stellen sich seine Anhänger die aufregende Frage, ob er auch diesmal wieder in der Nase bohren wird oder nicht. Meistens bohrt er. Der kleine Finger seiner linken Hand macht sich langsam auf den Weg in sein rechtes Nasenloch, verschwindet allmählich bis zur Hälfte oder noch weiter - und über kurz oder lang verlagert sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer vom Redner zum Bohrer. Was dieser zu bieten hat, ist ja auch wirklich interessanter.
Mussa, der Vollblutkomödiant, wirkt demgegenüber wie ein alter Routinier, der die Pointen nur so um sich streut. Er setzt auf Temperament und rasch wechselnde Handlung.
Im Folgenden der Entwurf zum Drehbuch eines tollkühnen Bankraubs. In den Hauptrollen
Weitere Kostenlose Bücher